Musikstück der Woche mit dem SWR Sinfonieorchester unter Sylvain Cambreling

Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 73 D-Dur - "La chasse"

Stand
AUTOR/IN
Felix Werthschulte

Vom Glück nach der Katastrophe | Musikstück der Woche vom 07.08.2017

Ein schwerer Brand legte 1779 das Opernhaus am Schloss Eszterháza in Schutt und Asche. Fürst Nikolaus I. verfügte daraufhin, ein neues, noch prunkvolleres Haus zu bauen. Bereits drei Jahre später fand mit Joseph Haydns Oper "La fedeltà premiata" seine Eröffnung statt. Als Erinnerung an das Glück nach der Katastrophe lag dem Fürsten diese Musik besonders am Herzen. Auch darum verwendete sie der Komponist noch einmal in einem seiner Orchesterwerke. Bei der Aufführung des Werks Anfang März 2001 in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz leitete Sylvain Cambreling das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg.

Die Jagd

Die Sinfonie in D-Dur Hob I:73 trägt den Beinamen "La chasse" ("Die Jagd"). Der Titel leitet sich von ihrem treibenden, mit Hornsignalen flankierten Finale ab, bei dem sich Haydn durch seine eigene "Fedeltà"-Ouvertüre inspirieren ließ.

Komponist Joseph Haydn (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Joseph Haydn (1732 – 1809)

Haydn und das Opernfestival

Das neue Opernhaus von Esterháza war eines der prunkvollsten und repräsentativsten der damaligen Zeit. "In der Nähe der Logen standen den Gästen Zimmer zur Verfügung, die mit Couches, Spiegeln, Uhren, Porzellan, verschiedenen Gebrauchs- und Ziergegenständen reich eingerichtet waren", heißt es in einem zeitgenössischen Bericht. "Im Zuschauerraum befanden sich außer den Ehrenlogen 400 Sitzplätze."

Während der Sommermonate ließ Nikolaus hier ein glanzvolles Opernfestival stattfinden, und die organisatorischen Fäden dafür liefen bei Haydn zusammen. Der Hofkapellmeister hatte für die Auswahl eines geschmackvollen Spielplans zu sorgen, mit internationalen (und nicht immer erstklassigen) Sängern und dem Orchester zu proben und überdies noch eigene Werke beizusteuern. "La fedeltà premiata" ist eine von insgesamt sechs italienischen Opern, die zwischen 1777 und 1784 entstanden. Es überrascht, dass Haydn bei diesem überwältigenden Arbeitspensum überhaupt die Muße fand, Instrumentalwerke zu schreiben. Seine Zeitnot trug ferner dazu bei, dass er Ideen aus einem bereits bestehenden Werk übernahm. Doch bis heute gilt "La chasse" manchen als eine der ausgereiftesten Sinfonien, was die klassische Ausgewogenheit ihrer Elemente betrifft.

Ausgereifte Sinfonie

Der erste Satz hebt mit federnden Bläserklängen an, in sich die eine zaghaft voranschreitende Streichermelodie einwebt. Die pochenden Tonwiederholungen dieser Einleitung bestimmen auch das anschließende Allegro. Selbst wenn es längst kein Schicksalsmotiv à la Beethoven ist, bleibt doch ein getrübter, nachdenklicher Eindruck. Mit einem langsamen Marsch verarbeitet Haydn im zweiten Satz ein eigenes Lied: "Wüsst’ ich, dass du mich lieb und wert ein bisschen hieltest ...". Handelt es sich um eine versteckte Botschaft an die junge Hofsängerin Luigia Polzelli? Mit der 18 Jahre jüngeren Italienerin soll der Komponist immerhin eine Affäre, später sogar mindestens einen unehelichen Sohn gehabt haben.

Das Menuett wird von aufstrebenden Seufzerfiguren und einem in sich kreisenden Duett von Oboe und Fagott bestimmt. Schnelle punktierte Rhythmen leiten dann das rasante Finale ein. Haydn lässt nicht nur die Hörner erschallen und die Pauken wie Gewehrschüsse knallen, er zitiert auch ein Signal, das die Jäger damals beim Sichten des Wildes bliesen.

Die Sinfonie erklang zum ersten Mal, nachdem Nikolaus I. im Februar 1782 von einer längeren Frankreichreise nach Esterháza zurückgekehrt war. Als sprühender, glücklicher Willkommensgruß wird sie ihren Effekt beim kunstliebenden Regenten nicht verfehlt haben.

Sylvain Cambreling (Dirigent)

Sylvain Cambreling dirigiert (Foto: SWR, SWR -)
Sylvain Cambreling

In Frankfurt wurde Sylvain Cambreling 1993/94 zum Dirigenten des Jahres gekürt und verschaffte der dortigen Oper erstmals den Titel "Opernhaus des Jahres". Aber Cambreling ist auch als Konzertdirigent in aller Welt ein gern gesehener Gast, gilt als Spezialist für die französische Musik und für die Neue Musik. Insofern war seine Zeit als Chefdirigent des SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg von 1999-2011 nur konsequent, schließlich veranstaltet der SWR die Donaueschinger Musiktage. Seit 2011 ist Cambreling Generalmusikdirektor an der Oper Stuttgart.

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg

Das Sinfonieorchester Baden-Baden Freiburg (Foto: SWR, SWR - Klaus Polkowski)
Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg

Die Geschichte des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg reicht in das Jahr 1946 zurück. Sie ist geprägt von einem unkonventionellen Umgang mit der Tradition und dem mutigen Beschreiten neuer Wege. Regelmäßig arbeitet das Ensemble mit internationalen Dirigenten, Solisten und Komponisten zusammen und hat sich sowohl im In- als auch im Ausland als Spezialist für Neue Musik etabliert. Von 2011 bis 2016 war der gebürtige Pariser Francois-Xavier Roth Chefdirigent des Ensembles. Mit seiner besonderen Flexibilität, seiner Offenheit für Neues aber auch für das Ungewohnte im Gewohnten führt er die Erfolgsgeschichte des Orchesters fort. Im September 2016 wurde das Orchester mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR zusammengeschlossen zum SWR Symphonieorchester.

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Felix Werthschulte