Musikstück der Woche mit NeoBarock

Georg Friedrich Händel: Triosonate G-Dur

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AUTOR/IN
Doris Blaich

Musikstück der Woche vom 10.7.2017

So schön kann Business klingen: Diese Woche verdanken wir unser Musikstück der kaufmännischen Tüchtigkeit von John Walsh, dem Verleger Georg Friedrich Händels. In unserem Live-Mitschnitt vom Dezember 2012 spielt das Ensemble NeoBarock die Triosonate G-Dur op. 5 Nr.4. Das Konzert fand in Schloss Waldthausen statt.

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Ein cleverer Geschäftsmann

John Walsh ist im England des 18. Jahrhunderts der erfolgreichste Musikverleger. Zu seinen Bestsellern gehören die Triosonaten von Arcangelo Corelli und die Musik von Georg Friedrich Händel, aus dessen Opern er regelmäßig die schönsten Arien unters Volk bringt. So manches in seinem Sortiment ist schwarz nachgedruckt (schon damals ist das nicht ganz koscher, aber da es für Musik noch kein Urheberrecht gibt, sind die Komponisten hier mehr oder weniger machtlos).

Goldfarbene Büste des Komponisten Georg Friedrich Händel in Karlsruhe (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa - Uli Deck)

Walsh nutzt geschickt die damaligen Möglichkeiten des Marketings: große Werbekampagnen, Subskriptionen (also eine Art Notenabo) mit Sonderkonditionen für die Abonnenten und kostenlose Probeexemplare als Appetizer. Als John Walsh 1736 stirbt, übernimmt sein Sohn John Walsh II. das väterliche Geschäft – und er intensiviert die Beziehungen zu seinem erfolgreichsten Komponisten Georg Friedrich Händel.

Sixpack plus Bonustrack

Walsh II. bestellt bei Händel 1738 eine Ladung Triosonaten für zwei Geigen und Basso continuo. Damals ist es üblich, sechs Sonaten zu einem Druck zu bündeln. Händel liefert die Sonaten gerne. Vier davon hat er aus älteren Werken zusammengestoppelt, zwei sind neu komponiert. Ohne Händels Wissen setzt Walsh noch eine Sonate obendrauf: die Sonate in G-Dur, die er an die vierte Stelle der Sammlung stellt – sie ist unser Musikstück der Woche. Die Sonate enthält ebenfalls ausschließlich Sätze aus bereits vorhandenen Kompositionen, einige davon haben erst kurz zuvor in London Furore gemacht, z.B. das Oratorium Athalia, dessen schwungvolle Orchesterouvertüre den ersten Satz der Sonate bildet.

Bei der Zusammenstellung geht Walsh recht arglos mit den Konventionen um: statt des üblichen Schemas langsam-schnell-langsam-schnell wählt er nach dem Prinzip „einmal quer durch Händels Gemüsegarten“ ein paar Renner aus: in die Mitte setzt er eine Passacaglia aus Händels Oper Radamisto – einen großen Variationssatz über einem ostinaten Bass, der traditionell am gloriosen Ende eines Opernaktes steht, danach folgt eine bäuerlich-tänzerische Gigue, und – um die Ohren wieder in die gesittete Welt des aufgeklärten Absolutismus zu entlassen – ein zierliches Menuett, diesmal aus der Oper Alcina.

Reaktion unbekannt

Was Händel – ausgestattet mit einem extrem aufbrausenden Temperament – zu diesem Alleingang sagte, wissen wir nicht. Vielleicht bekam er einen seiner berühmten Tobsuchtsanfälle, vielleicht war er aber auch ‚amused‘, denn er hatte ja selbst einen guten Riecher für die Geheimnisse des Erfolgs und konnte vom guten Verkauf seiner Noten nur profitieren. Alle Kammermusiker sind Walsh jedenfalls dankbar, denn er hat ihnen mit dieser Sonate ein dankbares, wirkungsvolles und musikalisch gehaltvolles Stück geschenkt. Und der Erfolg gab Walsh wieder einmal recht: die Sonatensammlung (inkl. unserer Bonussonate) wurde im Lauf des 18. Jahrhunderts noch vier Mal nachgedruckt, zuletzt 1789, also 30 Jahre nach Händels Tod.

NeoBarock

Das Ensemble NeoBarock (Foto: Pressestelle, Karin Engels - Karin Engels)
Das Ensemble NeoBarock

Am Anfang stand Musica Antiqua, das legendäre Alte-Musik-Ensemble um den Geiger Reinhard Goebel. Hier spielten die beiden Geiger Maren Ries und Volker Möller mit, bis sich das Ensemble auflöste. Da gründeten sie kurzerhand ihr eigenes: NeoBarock. Kontinuität ist eines seiner wichtigsten Kennzeichen, die vier Musikerinnen und Musiker spielen seit 2003 zusammen, nur am Cembalo gab es mal einen Wechsel – eine Seltenheit in der Alte-Musik-Szene, in der viele Ensembles je nach Projekt mal so mal so zusammengewürfelt sind. NeoBarock konnte intensiv und langfristig an einem eigenen Klang feilen, die Musiker verstehen sich blind, das Repertoire sitzt – und das macht den Weg frei für musikalischen Wagemut und Spontaneität in der Interpretation. Dass das Ensemble damit auf einem guten Kurs ist, beweist auch der Erfolg seiner CD-Einspielungen und die Auszeichnung mit dem Echo-Klassik-Preis.

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Doris Blaich