Musikstück der Woche mit dem Ensemble De Profundis

Georg Böhm: Geistliche Lieder

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Zur Passionszeit | Musikstück der Woche vom 6.3.2017

Der Lüneburger Organist Georg Böhm schrieb in der Barockzeit Lieder für alle Lebenslagen. Zwei seiner Passionslieder sind unser Musikstück der Woche. Der Mitschnitt stammt von einem Ettlinger Schlosskonzert des SWR am 6.1.2013 im Asamsaal von Schloss Ettlingen.

Meisterlich

Georg Böhm stammt aus Ohrdruf in Thürigen, war Organist in Hamburg und seit 1698 in Lüneburg. Dort genoss er höchstes Ansehen. Das kann man unter anderem ablesen an dem illustren Kreis von Menschen, die bei den Taufen seiner Kinder Pate standen – und auch an den üppigen Stipendien, die er für die Ausbildung seiner Söhne erhielt. Johann Sebastian Bach, der in Lüneburg zwei Jahre lang zur Schule ging, nahm Unterricht bei Böhm und soll seine Musik „geliebt u. studirt“ haben (das berichtet Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel).

Bachs weitläufiger Vetter Johann Gottfried Walther schrieb in seinem Musikalischen Lexikon über Böhm „ein braver Componist und Organist … welcher vielleicht noch am Leben ist“. Mit „brav“ ist im Barockdeutsch nicht „bieder“ gemeint, sondern „meisterlich“ oder „tüchtig“. Böhm war damals tatsächlich noch „am Leben“, er starb 1733, ein Jahr nachdem das Lexikon auf dem Buchmarkt erschien.

Donnerwetter- und andere Lieder

Als Organist hat Böhm überwiegend Kirchenmusik und Orgelwerke geschrieben. Seine 23 geistlichen Lieder erschienen im Jahr 1700 in einem Nachdruck des „Geistlichen Liederbuchs“, das der Hamburger Pastor Heinrich Elmenhorst herausgab. Von Elmenhorst stammen auch die Texte dieser Lieder. Die meisten davon sind unmittelbar mit den Ereignissen des Kirchenjahrs verknüpft – Ostern, Weihnachten, Pfingsten, Passion. In ihrer drastischen Sprache animieren die Texte den Leser, Sänger oder Hörer, diese Ereignisse im Rahmen einer häuslichen Andacht unmittelbar mitzuerleben.

Einige Lieder stellen auch Alltägliches in den Mittelpunkt: die Kategorie „Zeit-Lieder“ etwa versammelt folgende Liedtypen: „Ausfahrens-, Donnerwetter-, Morgen-, Mittags-, Abend- und Reiselieder“. Elmenhorsts Sammlung folgt damit einem Trend, der kennzeichnend ist für die Liederbücher des Barock und der das Ziel hatte, alltägliche Erfahrungen direkt mit der Religion in Beziehung zu setzen. Manche Gesangbücher dieser Zeit sind deshalb ausgesprochen alltagspraktisch angelegt: Es gibt zum Beispiel extra Reise-Gesangbücher im handlichen Miniatur-Format, die im Anhang Stadtpläne, immerwährende Kalender und sogar Umrechnungstabellen für die wichtigsten Währungen enthalten.

Georg Böhm hat die frommen Texte mit innig-schlichten und gleichzeitige kunstvollen Melodien versehen, die vor allem ein Ziel hatten: Die Botschaft der Texte zu verstärken und den Zuhörer zu bewegen und zu rühren. Die beiden Lieder „Bringet meinen Herrn zur Ruh“ und „Was bringet Jesus aus dem Grabe“ gehören in die Passionszeit, letzteres ist ein Karfreitags-Lied. 

Georg Böhm:

„Bringet meinen Herrn zur Ruh“

1. Bringet meinen Herrn zur Ruh,
lasset seinen Leichnam schlafen;
sein Geist ging dem Himmel zu,
alle Leiden, alle Strafen
sind doch schon vollendet nu.
Bringet meinen Herrn zur Ruh. 

3. Wickelt ein den zarten Leib;
tragt des Helden Rest zum Grabe,
dass er nicht am Kreuze bleib’,
und mein Heil den Sabbath habe;
dies sei euer Nachtvertreib,
wickelt ein den zarten Leib. 

8. Weg, o Grab! mein Herz ist hier,
da will ich den Herrn hinlegen
und ihn, meiner Seelen Zier,
tot und lebend in mir hegen,
so hab’ ich das Heil in mir;
weg, o Grab! mein Herz ist hier. 

9. Nimm, mein Heiland! deine Gruft,
hier bleib’ ich mit dir vergraben;
wenn denn deine Stimme ruft,
werd’ ich ausgeschlafen haben
und verkläret durch die Luft
fahren auf aus meiner Gruft.

 

„Was bringet Jesus aus dem Grabe“

1. Was bringet Jesus aus dem Grabe?
Was hat der Held für Raub gemacht?
Den Honig, der die Matten labe,
hat unser Simson hergebracht;
er will uns reiche Beute geben,
Gerechtigkeit und Freud’ und Leben. 

9. Sein Fried’ ist mit euch liebe Seelen,
berührt des Friedebringers Hand,
habt Zuflucht zu der Wunden Höhlen,
und haltet gläubig festen Stand,
euch bleibet alles unverwehret,
was Jesu Sieg für Gut’s bescheret.

Ensemble De Profundis:

Margot Oitzinger, Alt
Peter Kooij, Bass
Ageet Zweistra, Violoncello
Lorenzo Feder, Orgel

De Profundis („Aus der Tiefe“) heißt dieses Ensemble, und der Name ist keine Übertreibung. Der Bassist Peter Kooij und die Instrumentalisten des Ensembles gehören seit Jahren zu den führenden Interpreten der Musik von Johann Sebastian Bach und seinen Zeitgenossen. In ihrem Ettlinger Schlosskonzert war die junge Altistin und Leipziger Bach-Preisträgerin Margot Oitzinger dabei, die mit ihrer warmen und doch strahlenden Stimme perfekt zu Peter Kooijs samtigen Bass passt.

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Doris Blaich