Musikstück der Woche

François-Xavier Roth dirigiert Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 5

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Kerstin Unseld

"Das ist sehr groß, ganz toll, man möchte fürchten das Haus fiele ein", soll Johann Wolfgang von Goethe ausgerufen haben, als er Beethovens Fünfte hörte. Auch wenn das Zitat nicht ganz original sein sollte – zustimmen kann man ihm in jedem Fall. Mit einer im Mai 2016 gemachten Aufnahme von Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67 hören Sie das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unter der Leitung von Francois-Xavier Roth.

Wer klopft an? Ein ganzes Orchester!

Es ist leider so: Der Ausspruch „So klopft das Schicksal an die Türe“ stammt nicht von Beethoven. Er wurde überliefert von Beethovens rührigem Biographen Anton Schindler, aus dessen Feder so manch andere ‚schicksalhafte‘ Zitate stammen, die an Beethovens Werk und Leben wie Etiketten kleben und partout nicht abgehen.

Aber es ist auch zu bildhaft, diese Geste, mit der man tatsächlich das Schicksal mit diesen wahrscheinlich berühmtesten Schlägen der Musikgeschichte anklopfen hört. Mit düsteren Orchesterschlägen in c-Moll, die eine Sinfonie einhämmern und mit volltönenden Appell ein außerordentlich geschlossenes Werk einläuten. Diese Schläge – eigentlich ein Viertonmotiv, das den ganzen ersten Satz beherrscht – sind zur Chiffre für klassische im Sinne von ‚ernster‘ Musik geworden. Sie haben eine regelrechte Sogwirkung hinein in ein Werk mit einer spürbar poetischen Idee.

Dass diese Sinfonie ihre Wirkung nicht verfehlen würde, war Beethoven natürlich bewusst. An den Auftraggeber des Werkes schrieb er nicht ohne Selbstbewusstsein: „Das letzte Stück ist mit 3 Posaunen und flautino – zwar nicht 3 Pauken, wird aber mehr Lärm machen als 6 Pauken und zwar bessern Lärm machen.“

Als Beethoven seine fünfte Sinfonie schrieb, konnte er dieses "Lärm machen" selbst kaum noch hören. Immer dringender scheint in ihm der Impuls, mit den Mitteln der Musik Wachzurütteln – im Konkreten wie im Übertragenen. Seit 1801 klagte er über den Verlust seines Gehörs, mit 31 Jahren und mitten im (Komponisten-)Leben stehend eine grausame Diagnose.

Über einen langen Zeitraum zwischen 1803 und 1808 und quasi nebenbei noch anderes komponierend – u.a. die „Pastoral“-Sinfonie Nr. 6, Leonoren- und Coriolan-Ouvertüre, das 4. Klavier- und das Violinkonzert – entstand diese immer als schicksalhaft empfundene Sinfonie. Sie ist ein Markstein unseres Klassikbegriffs geworden, hat schier unüberschaubare Impulse zur theoretischen, musikalischen und auch literarischen Auseinandersetzung geliefert und ist schließlich auch das erste Werk gewesen, das als längeres Musikstück auf einer Schallplatte eingespielt wurde: 1913 dirigierte Arthur Nikisch dieses phonographische Erstlingswerk.

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg

1946 wurde das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg gegründet. Fortan identifizierte es sich mit den Idealen seiner "Gründerväter", die der festen Überzeugung waren, dass die engagierte Förderung der neuen Musik ebenso wichtiger Bestandteil des Rundfunk-Kulturauftrags ist wie der Umgang mit der großen Tradition.

In diesem Sinne haben die Chefdirigenten von Hans Rosbaud über Ernest Bour bis zu Michael Gielen gearbeitet und ein Orchester kultiviert, das für seine schnelle Auffassungsgabe beim Entziffern neuer Partituren ebenso gerühmt wurde wie für exemplarische Aufführungen und Einspielungen des traditionellen Repertoires eines großen Sinfonieorchesters.

An die 400 Kompositionen hat das Orchester uraufgeführt und damit Musikgeschichte geschrieben. Michael Gielen prägte das Orchester als Chefdirigent in den Jahren 1986-99, dann übernahm Sylvain Cambreling, 2011-2016 François-Xavier Roth. Im September 2016 wurde das Orchester mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR zusammengeschlossen zum SWR Symphonieorchester.

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Kerstin Unseld