Musikstück der Woche vom 01.08.2016

Francks Hochzeitssonate

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

César Franck: Cellosonate A-Dur gespielt von SWR2 New Talent Janina Ruh

César Franck hat das Stück dem belgischen Geiger Eugène Isaÿe zum "schönsten Tag im Leben" geschenkt. Noch während der Hochzeitsfeier griff der Bräutigam zur Geige und probierte sein Sonatengeschenk aus. Das "SWR2 New Talent" Janina Ruh spielte diese wunderbare Sonate gemeinsam mit dem Pianisten Boris Kusnezow bei den Schwetzinger SWR Festspielen 2015.

Noch vor der Hochzeitsnacht gegeigt

Beim Anspielen auf der Hochzeit übernahm die Pianistin Léontine-Marie Bordes-Pène den Klavierpart. Die beiden spielten auch mit großem Erfolg die öffentliche Uraufführung am 16. Dezember 1886 in Brüssel. Es gibt davon eine Bearbeitung für Klavier solo und eine Fassung für Cello und Klavier; ein Teil der Sonate war ursprünglich auch als Cellosonate konzipiert. Die Frage: "gehört die Sonate nun den Geigern oder den Cellisten?" muss offen bleiben; oder man entscheidet salomonisch: beiden!

"Der belgische Brahms"

"Der belgische Brahms" ist César Franck oft genannt worden – wegen seiner Vorliebe, musikalische Gedanken mit höchster Ökonomie auszuschöpfen und mehrere Sätze durch die gemeinsame Substanz ihrer Themen ineinander zu verflechten. Auch in der Violinsonate sind die vier Sätze zyklisch miteinander verbunden. Ihre strenge kontrapunktische Konstruktion der Form ist verquickt mit einem intensiven emotionalen Ausdruck, dem Schwelgen im süßen Duft der Harmonien. Spielanweisungen wie "cantabile" (gesanglich), "espressivo" und "dolcissimo" (so süß wie möglich) tauchen in der Partitur immer wieder auf.

Fast wie Bach

Ein zeitgenössischer Musikkritiker schrieb über die Sonate: "Trotz der sehr modernen Formgebung erscheint sie uns wie eine der schönsten Kompositionen der großen Klassiker. Der erste Satz ... lässt einen glauben, es sei ein Werk von Bach, als hätte dieser im 19. Jahrhundert gelebt; das Recitativo quasi fantasia ist, in seiner sehr freien Form, von großartigem inneren Schwung, und das Finale, fast ganz als Kanon in der Oktave gehalten, bewahrt trotz dieser strengen Form eine Leichtigkeit, eine Anmut, eine Süße ohnegleichen." Alle großen Geiger haben Francks Sonate im Repertoire – und Dank der Bearbeitung von Jules Delsart auch alle große Cellisten.

Die Cellistin Janina Ruh über die Sonate

"In Francks Sonate steckt ein feines Netzwerk von thematischen Bezügen. Ich gehe an die Musik so heran, dass ich zunächst meinen eigenen Part spiele und übe. Dann schaue ich gemeinsam mit dem Pianisten die harmonischen Strukturen an und analysiere die Themen und ihre Entwicklungen. Alles, was im Notentext steht, ist unser Leitfaden für die Interpretation. Solche Zusammenhänge zu entdecken und sie auch dem Publikum zu zeigen, ist eine wunderbare Aufgabe!

Die Noten sind voller Spielanweisungen, die ein emotionales Spiel verlangen: "cantabile" (gesanglich), "espressivo" (ausdrucksstark) und "dolcissimo" (so süß wie möglich). Franck steigert diese Adjektive bis zu Superlativen. Da habe ich beim Üben viel aufgenommen, um zu überprüfen, ob man den Unterschied zwischen "süß", "noch süßer", "am süßesten" wirklich beim Hören bemerkt. Die vier Sätze der Sonate haben inoffizielle Titel: Himmel, Hölle, Gebet und Verklärung. Nach dem musikalischen Himmel des ersten Satz, in dem man so schwebt, muss man im zweiten wieder auf den Boden kommen…"

Im SWR-Studio auch auf CD aufgenommen

Unser Mitschnitt stammt aus einem Konzert in Schwetzingen. Janina Ruh, SWR2 New Talent, hat die Sonate Sonate auch gemeinsam mit dem Pianisten Boris Kusnezow im Studio des SWR aufgenommen. Im Oktober 2016 erscheint die Aufnahme bei SWRmusic auf CD. Außerdem auf der CD: französische Cellosonaten von Debussy und Poulenc – und das Besondere daran: Janina Ruh, die sowohl Cello als auch Gesang studiert, singt zwischen den Sonaten Lieder dieser Komponisten, die sich auf die Instrumentalmusik beziehen.

Janina Ruh

singt in Sopran- und spielt in Basslage. Ihre Doppelbegabung fürs Violoncello und für den Gesang prägt auch das Programm dieser CD. Janina Ruh stammt aus Rottweil und fing mit 8 Jahren das Cellospielen an, "dann aber richtig". Was bedeutet: mit 12 Jungstudentin in Zürich, danach in Düsseldorf, Cellostudium in Berlin bei David Geringas und derzeit bei Wolfgang E. Schmidt. Zusätzlich Gesangsstudium bei Julie Kaufmann an der Berliner Universität der Künste, seit 2015 bei Carola Höhn. Preise bei diversen Cello-Wettbewerben, u.a. 2013 beim Deutschen Musikwettbewerb, beim Internationalen Lutosławski-Wettbewerb in Warschau und beim Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau. Als Cello-Solistin ist sie bereits durch halb Europa getourt: Von Mailand über Warschau bis Helsinki – mit Orchestern wie dem Lettischen Nationalen Sinfonieorchester, dem MDR Sinfonieorchester, den Warschauer Symphonikern und der Tapiola Sinfonietta aus Finnland. Zahlreiche Kammerkonzerte, am liebsten gemeinsam mit dem Pianisten Boris Kusnezow.

Seit 2004 spielt sie ein Instrument des Deutschen Musikinstrumentenfonds in der Deutschen Stiftung Musikleben, derzeit als Preisträgerin seit 2010 ein Cello von Giuseppe Guarneri, Cremona 1713, eine treuhänderische Eingabe aus Familienbesitz. 2014 wurde Janina Ruh zum SWR2 New Talent gekürt.

Boris Kusnezow

stammt aus Moskau und begann dort seine Ausbildung an der traditionsreichen Gnessin-Akademie. Seit seinem 8. Lebensjahr lebt er in Deutschland. Studium in der "Pianistenschmiede" der Musikhochschule Hannover bei Bernd Goetzke. 2009 Preis des Deutschen Musikwettbewerbs. Bald darauf Debüt in der Carnegie Hall, wo er den Kritiker der New York Times mit einer "most impressive interpretation" begeisterte. Erste Preise bei internationalen Wettbewerben, Fellowship des britischen Borletti-Buitoni Trusts, Stipendien der Deutschen Stiftung Musikleben und der Studienstiftung des Deutschen Volkes und zahlreiche CD-Einspielungen – solistisch, kammermusikalisch und als Liedbegleiter. Auftritte mit renommierten Kammermusikpartnern in Deutschland und weltweit. Boris Kusnezow unterrichtet an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover.

SWR2 New Talent: Kulturradio fördert junge Musiker

Die Musikredaktion von SWR2 rief 2013 das Förderprogramm SWR2 New Talent ins Leben, um junge Musiker beim Einstieg in ihre professionelle Karriere zu begleiten und gezielt zu unterstützen. Wer hierfür ausgewählt wird, genießt drei Jahre lang eine enge Zusammenarbeit mit dem Sender: Dazu gehören Einladungen zu den Konzertreihen des SWR, Live-Mitschnitte und Sendungen von Konzerten im Radioprogramm SWR2, Aufnahmen in den Produktionsstudios, enger Austausch und Beratung mit der Redaktion und den Tonmeistern des SWR und eine starke Präsenz im Radio, Fernsehen und auf den Websites des SWR. Im Förderprogramm waren und sind bisher: Hanna-Elisabeth Müller (Sopran), Alexej Gorlatch (Klavier), Janina Ruh (Violoncello), das vision string quartet und Simon Höfele (Trompete).

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Doris Blaich