Musikstück der Woche vom 03.08.2015

Von wegen depressiv!

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AUTOR/IN
Katharina Höhne

Peter Tschaikowsky: Serenade für Streichorchester in C-Dur op. 48

Peter Tschaikowsky war ein Melancholiker, der sich in Sekundenschnelle in ein depressives Abseits katapultieren konnte. Auslöser waren oft das Leben, die eigene Sensibilität und der innere Drang nach Perfektion. Die Serenade für Streichorchester in C-Dur zeigt ein anderes Bild des russischen Komponisten. Sie strotzt vor Leichtigkeit und Lebensfreude, denn auch das konnte Tschaikowsky sein: glücklich! Das südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim hat die Serenade unter der Leitung seines künstlerischen Leiters Timo Handschuh im November 2013 im Kongresszentrum Pforzheim aufgeführt.

Tschaikowskys kreatives Mekka

Die Serenade für Streichorchester war eins von Peter Tschaikowskys Lieblingsstücken. Fast immer, wenn er zu einem Konzert ins Ausland reiste, nahm er sie mit und erntete stehende Ovationen. Für Tschaikowsky – den großen Kritiker – war diese Tatsache etwas besonderes. Denn eigentlich stellte er alles und jeden in Frage, vor allem sich selbst und damit auch seine Musik. Er war nie zu zufrieden und drehte jede Note fünfmal um, bevor er endgültig sie auf dem Papier positionierte. Bei der Serenade für Streichorchester war das anders. Sie entstand aus dem Bauch heraus.

1880 war Tschaikowsky raus aufs Land gefahren, zu seiner Schwester, die auf einem Gut in dem kleinen Dorf Kamenka lebte. Er wollte Kraft tanken, sich erholen und nutzte die Tage fernab seines urbanen Lebens ins Moskau, um die Musik u.a. seines Vorbilds Wolfgang Amadeus Mozart zu studieren. Für Tschaikowsky gab es keinen vollkommeneren Komponisten als den Wiener Klassiker. Egal wo er gerade war: Mozarts Biografie lag immer auf seinem Nachttisch. 

Als Tschaikowsky anfing die Serenade zu schreiben, fühlte er sich gut und lebendig. Tschaikowsky war aufgeregt. Er konnte sich kaum daran erinnern, wann und bei welchem seiner Stücke er sich so gefühlt hatte. An seine Gönnerin und gute Freundin Nadeshda von Meck schrieb er: "Ich habe sie aus eigenem inneren Trieb komponiert, das ist etwas, was aus freiheitlichem Denken entsteht." Kurz vor ihrer Uraufführung, die am 30. Oktober 1881 in St. Petersburg stattfinden sollte, war er furchtbar nervös. Wie würde sie wohl beim Publikum ankommen? Doch wie so oft waren seine Sorgen völlig unbegründet. Denn das Publikum war so begeistert, dass der zweite der insgesamt vier Sätze direkt wiederholt werden musste. 

Mit der Serenade für Streichorchester schrieb Tschaikowsky eine Hommage an sein Vorbild Mozart. Zwischen russischer Spätromantik und französischer Eleganz verweist sie auf die Serenadenmusik des 18. Jahrhunderts und damit direkt auf ihn.

Südwestdeutsches Kammerorchester Pforzheim

Frischer Wind und stilistische Vielfalt – das zeichnet den Klang des Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim aus. Das mit vierzehn Musikern aus sieben Nationen besetzte Ensemble ist eines der wenigen Vollzeit-Kammerorchester in Deutschland. 

1950 von dem Dirigenten Friedrich Tilegant gegründet, machte sich das Ensemble schnell einen Namen in der internationalen Musikwelt und konzertierte mit Größen wie Maurice Andre, Dietrich Fischer-Dieskau, Frans Brüggen und Yehudi Menuhin. Auch heute konzertiert es mit international bekannten Solisten und Partnern wie Nigel Kennedy, Mischa Maisky oder Senta Berger und ist regelmäßig in ganz Europa, u.a. beim Festival Prager Frühling, Schleswig-Holstein-Musikfestival und Schwetzinger Festspiele, sowie in den USA und in Japan zu Gast. Neben zahlreichen Rundfunkaufnahmen hat das Kammerorchester mehr als 250 teils preisgekrönte Schallplatten und CDs eingespielt. 

Timo Handschuh (Dirigent)

Timo Handschuh wurde 1975 in Lahr im Schwarzwald geboren und gründete bereits als 17-Jähriger in seiner Heimatstadt ein eigenes Orchester. Er studierte zunächst Kirchenmusik an der Musikhochschule Stuttgart, bevor ein Studium zum Kapellmeister absolvierte, das er 2004 an der Musikhochschule Freiburg mit Auszeichnung abschloss. Noch während seiner Ausbildung wurde Timo Handschuh als Assistent des Chordirektors und Solorepetitor an die Staatsoper Stuttgart engagiert. Später wirkte er als musikalischer Assistent von Generalmusikdirektor Manfred Honeck und leitete in den darauffolgenden Jahren als Kapellmeister und Gastdirigent zahlreiche Vorstellungen, u.a. Madama Butterfly, Idomeneo, und Così fan tutte. 2011 wurde er als Generalmusikdirektor an das Theater Ulm berufen. 

Neben der Opernarbeit hat Timo Handschuh nie seine Konzertaktivitäten vernachlässigt, sondern sich parallel dazu ein weit gespanntes Repertoire in den Bereichen Sinfonik und Kammerorchester erarbeitet. Als Dirigent arbeitete er mit vielen Orchestern zusammen, u.a. dem Philharmonischen Orchester Ulm und das Württembergische Kammerorchester Heilbronn. Ein besonderes Anliegen sind ihm der direkte Kontakt zum Konzertpublikum: Werkeinführungen, Konzertgespräche und Moderationen begleiteten von Anfang an seine künstlerischen Aktivitäten. Seit dem Beginn der Konzertsaison 2013/14 ist Timo Handschuh Künstlerischer Leiter und Chefdirigenten des Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim.

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Katharina Höhne