Musikstück der Woche vom 01.06.2015

Klavierstücke, aus dem Schatten geholt

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AUTOR/IN
Rebekka Homburg

Franz Schubert: 3 Stücke für Klavier D 946

Schubert schrieb diese Klavierstücke trotz schwerer Erkrankung in seinem letztem Lebensjahr 1828. Die russische Pianistin Yulianna Avdeeva spielte sie im Dezember 2013 in der SWR-Konzertreihe „Internationale Pianisten in Mainz“.

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In dem ereignisreichen Jahr 1828 spielte Franz Schubert sein erstes und einziges öffentliches Konzert mit eigenen Werken. Außerdem schrieb er seine Messe in Es-Dur, das Streichquintett C-Dur, seine drei letzten Klaviersonaten und eine Liedersammlung, die später den Namen "Schwanengesang" bekam. Und – das geht fast ein bisschen unter in dieser Fülle an großformatigen Meisterwerken – diese drei Klavierstücke.

Hatte Schubert keine Zeit mehr?

Franz Schubert (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Franz Schubert


Das erste Stück ist düster und energiegeladen und zeigt starke dynamische Kontraste, im Mittelteil beruhigt sich die Musik. Das zweite Stück hat lyrischen Charakter in den Hauptteilen, laut und leise prallen hier aufeinander. Im dritten Stück wirbelt und tanzt alles, der Mittelteil stellt wieder Extreme gegenüber: hartnäckige pochende Rhythmen gegen leichte Figurationen. Wie so oft stellt man sich als Zuhörer die Frage: Schreibt Schubert solch wehmütig-süße Musik, weil er weiß, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt?

Das Rätsel um den gestrichenen Teil

Zu Schuberts Lebzeiten wurden die drei Klavierstücke nicht gedruckt, vierzig Jahre nach seinem Tod allerdings anonym von Johannes Brahms veröffentlicht. In den Handschriften des ersten Klavierstücks, einem Rondo, findet man 165 Takte, die Schubert durchstrich (vielleicht, weil er sie zu nicht gewichtig genug fand und gerne nochmals überarbeitet hätte?) – Brahms jedoch druckte sie mit ab; versehen mit einer Fußnote: "NB. Der Theil von A bis B wurde im Original-Manuscripte von Schubert wieder gestrichen." Schubert hat keinen Titel hinterlassen, weshalb Brahms die drei kurzerhand "Klavierstücke" taufte.

Yulianna Avdeeva

studierte Klavier am russischen Gnessin-Institut, an der Hochschule der Künste Zürich und an der Internationalen Piano-Akademie am Comer See. Nach zahlreichen Wettbewerbserfolgen (u.a. erspielte sie sich den ersten Preis beim Internationalen Chopin-Wettbewerb in Warschau), begann eine brillante Karriere als Solistin und Kammermusikerin (u.a. im Duo mit der Geigerin Julia Fischer). Ihr Repertoire reicht von Bach bis ins 20. Jahrhundert, besonders gerne spielt sie auf historischen Instrumenten.

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Rebekka Homburg