Musikstück der Woche

Benyamin Nuss spielt George Gershwin: Concerto in F

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AUTOR/IN
Doris Blaich

Musikstück der Woche vom 18.05.2015

In seinem Concerto in F hat George Gershwin den Big Apple in ein großes Klavierkonzert verwandelt. Benyamin Nuss ist der Solist in unserem Live-Mitschnitt, Kazuki Yamada dirigiert die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern; das Konzert war am 19.04.2012 im Emmerich-Smola-Saal des SWR Studios Kaiserslautern.

Diversity in music

"Salatschüssel" nennen's die einen, "Melting pot" – Schmelztiegel – die anderen: die Vermischung der Kulturen, die die amerikanischen Einwanderer in ihre neue Heimat mitbrachten. George Gershwin, als Sohn russischer Einwanderer selbst mit unterschiedlichen Kulturen vertraut, griff Amerikas Vielfalt der Klänge begierig auf und formte daraus einen ganz eigenen musikalischen Stil: Jazz und Broadwaysongs fließen da hinein, moderne Tanzrhythmen und spätromantische Harmonien, die Freiheit der Improvisation genauso wie die formale Strenge und sorgfältig konstruierte Architektur von Johann Sebastian Bach oder europäischer Komponisten des 20. Jahrhunderts.

Zeigen, was man kann!

"New York Symphony" – so sollte das Concerto in F ursprünglich heißen. Es entstand 1925 als Auftragskomposition für Walter Damrosch, den Chefdirigenten der New York Symphony Society. Vermutlich entschied sich Gershwin für den 'klassischen' Titel, um zu vermeiden, dass man sein Stück 'nur' als klingendes Großstadt-Gemälde wahrnahm. Denn mit dem Concerto wollte er sich einreihen in eine große, jahrhundertealte Musiktradition.

Die "Rhapsody in Blue" hatte Gershwin als Komponisten über Nacht berühmt gemacht. An diesen Erfolg wollte er ein Jahr später mit dem Concerto anknüpfen. "Viele Leute glaubten, die Rhapsody sei nur ein glücklicher Zufall gewesen", erinnert sich Gershwin. "Also machte ich mich daran, ihnen zu zeigen, dass ich noch eine Menge mehr drauf habe als das. Ich entschloss mich, ein Werk der absoluten Musik zu schreiben. Die Rhapsody war, wie aus dem Titel zu schließen, eine Impression über den Blues. Das Concerto sollte aber unabhängig sein von einem Programm." Gershwin hat's klar erkannt: wer es in Amerika zu etwas bringen will, muss zeigen, was er kann! Und auch mal laut mit dem Handwerk klappern.

Hören, was Gershwin kann!

Nach klassischem Vorbild hat das Concerto drei Sätze. Im ersten Satz (Allegro), der den "jungen, enthusiastischen Geist des amerikanischen Lebens" einfangen soll, wie Gershwin selbst formuliert, greift er unter anderem auf einen Charleston-Rhythmus zurück. Der zweite Satz (Andante con moto) ist ein poetisches Blues-Nocturne und "fast mozartisch in seiner Einfachheit". Am Schluss steht ein rauschendes Allegro agitato, "eine Orgie von Rhythmen", in dem mehrere jazzige Themen spielerisch vereint werden – auch die der vorigen Sätze. Musikalische Salatschüssel oder Schmelztiegel? Am besten nicht lang sinnieren, sondern einfach hören!

Der Pianist Benyamin Nuss

wurde 1989 in eine Jazz-Musikerfamilie hineingeboren und begeisterte sich schon früh für die Verbindung von Klassik und Jazz. Erste Preise beim Bundeswettbewerb "Jugend musiziert", beim Steinway Wettbewerb (2005), beim internationalen Wettbewerb "Prix d'amadeo de piano" (2006), sowie ein Stipendium der Hochbegabtenstiftung "Best of NRW" säumten bisher seinen Weg. Seit 2008 studiert er an der Musikhochschule Köln/Aachen bei Prof. Ilja Scheps. Er hat Meisterkurse besucht bei Anatol Ugorsky, Dmitri Bashkirov und Ragna Schirmer.

Rolando Villazón stellte Benyamin Nuss in der TV-Produktion "Die Stars von Morgen" einem großen Publikum vor. Im In- und Ausland konzertierte er als Solist mit diversen Spitzenorchestern von Köln über Stockholm, Tokyo, Chicago und London.

Sein Debutalbum "Nuss plays Uematsu" mit Videospielmusik im klassischen Kontext schaffte es aus dem Stand in die Klassikcharts. Mit diesem Programm füllte Benyamin Nuss die Konzerthäuser – 5000 Zuhörer im International Forum Tokyo – und es gelang ihm, junge Zuhörer erstmals in ein klassisches Konzert zu locken. 2012 erschien seine zweite CD mit Klavierwerken von Debussy, Balakirev, Milhaud, Villa-Lobos, Ginastera sowie eigenen Kompositionen.

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Doris Blaich