Musikstück der Woche vom 26.01.2015

Maurice Ravel: "La Valse" in einer Bearbeitung für zwei Klaviere

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AUTOR/IN
Doris Blaich

Walzer im Taschenformat

"La Valse" von Maurice Ravel ist eigentlich für ein Riesenorchester. Wir haben die Pocket-Version: eine Bearbeitung für zwei Klaviere. Hans-Peter und Volker Stenzl spielen in diesem Live-Mitschnitt vom 11. März 2009 in Schloss Waldthausen.

Musik mit eingebautem Dimmer

"Eine kaiserliche Residenz um 1855" notiert Maurice Ravel in die Partitur von "La Valse". Und er beschreibt folgende Szenerie: "Flüchtig lassen sich durch schwebende Nebelschleier hindurch walzertanzende Paare erkennen. Nach und nach lösen sich die Schleier auf: Man erblickt einen riesigen Saal mit zahllosen im Kreise wirbelnden Menschen. Die Szene erhellt sich zunehmend; plötzlich erstrahlen die Kronleuchter in hellem Glanz."

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Eine Art Apotheose des Wiener Walzers

1919 bestellt Sergej Diaghilew, der Impressario der legendären russischen Ballett-Truppe "Ballets russes" diese Ballettmusik bei Ravel. "Wien und seine Walzer" soll das Thema sein. Ravel kann dabei auf einen früheren Entwurf zurückgreifen, den er "als eine Art Apotheose des Wiener Walzers" geplant hat; ein "phantastischer Wirbel, dem niemand entrinnen kann". Es geht Ravel dabei nicht um musikalische Walzerseligkeit und eine heile Welt, sondern auch um die Ängste, die ein Walzertaumel auslöst, wenn er übersteigert wird. Er schreibt eine Art Walzer-Kaleidoskop, das sich in immer neuen Farben und Formen entfaltet: Mal sind sie glänzend und brillant, Pastelltöne und Gold schimmern auf. Dann treten bizarre und bedrohliche Muster auf, die sich fratzenhaft verzerren und in schrille und finster-morbide Farbtöne abdriften. Am Ende gerät alles aus den Fugen, die Musik wird geradezu brachial-gewalttätig. Ein Schlagzeugdonner tötet den Glanz der Kronleuchter. Und – wer weiß - vielleicht auch die Menschen, die sich dem Walzervergnügen hingegeben haben. Ravel schreibt "La Valse" mitten im ersten Weltkrieg, von dessen Gräueln er als Lastwagenfahrer mehr erlebt hat, als er eigentlich verkraften kann.

Annahme verweigert!

Diaghilew ist – wie so oft – nicht zufrieden mit der Partitur und lehnt eine Choreographie ab. So wird "La Valse" als reines Orchesterwerk uraufgeführt; am 12. Dezember 1920 in Paris. Ravel selbst bearbeitet es kurz darauf für zwei Klaviere. In dieser Version gehen zwar einige Farben verloren, die die Orchesterfassung zur Verfügung hat; dafür tritt das Motorische dieses apokalyptischen Walzers umso deutlicher in den Vordergrund.

Hans-Peter und Volker Stenzl

Die meisten Klavierduos bestehen aus Ehepartnern oder - wie bei Hans-Peter und Volker Stenzl - aus Geschwistern. Die beiden Brüder haben in Stuttgart, Frankfurt und London studiert; bei Renate Werner, Herbert Seidel, Frank Wibaut, Hamish Milne, Stephen Kovacevich und Alfred Brendel. Wichtige künstlerische Impulse erhielten sie außerdem von Bruno Canino und Norbert Brainin. Ihre internationale Karriere begann mit Preisen bei elf nationalen und internationalen Musikwettbewerben, u.a. 1986 ARD/München, 1989 Deutscher Musikwettbewerb und Dranoff/Miami. 1991 gaben sie ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen. Seither sind sie zu Gast gewesen in vielen Ländern Europas, in Afrika, Nord- und Südamerika, Japan, China und Hongkong und dort in den großen Konzertsälen aufgetreten.

Bedeutende Dirigenten haben Hans-Peter und Volker Stenzl als Solisten eingeladen: darunter Helmuth Rilling, Karl Anton Rickenbacher, Gerd Albrecht, Hans Michael Beuerle, Hartmut Haenchen, Thomas Hengelbrock und Gustavo Dudamel.

Als renommierte Pädagogen ist es Hans-Peter und Volker Stenzl ein besonderes Anliegen, junge Pianisten und Klavierduos zu individuellen, selbstständigen Künstlerpersönlichkeiten zu erziehen. An der Hochschule für Musik und Theater Rostock bekleiden sie die weltweit erste Professur für Klavierduo, außerdem unterrichten sie an den Musikhochschulen in Stuttgart (Hans-Peter) und Trossingen (Volker). Aus ihren Klassen sind zahlreiche internationale Preisträger hervorgegangen, etliche ihrer ehemaligen Studenten sind selbst schon Hochschullehrer. Meisterkurse und Jurytätigkeiten im In- und Ausland ergänzen die Aktivitäten von Hans-Peter und Volker Stenzl.

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Doris Blaich