Musikstück der Woche mit Till Fellner

Ludwig van Beethoven: Klavierkonzert Nr. 3

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AUTOR/IN
Doris Blaich

Beethoven war ein glänzender Pianist. Alle seine Klavierkonzerte schrieb er zunächst für sich selbst. Das dritte – sein einziges Konzert in einer Moll-Tonart – erlebte 1803 seine Uraufführung. In unserem Live-Mitschnitt ist Till Fellner der Solist, Jonathan Nott dirigiert das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg; das Konzert war am 17.05.2013 im Konzerthaus Freiburg.

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Erster Satz: Die Gesetze

Schritt für Schritt führt dieses Konzert den Hörer in die Geheimnisse und Gesetzmäßigkeiten der Musik ein. Die Streicher eröffnen den ersten Satz im Unisono mit einem düsteren Thema, das die musikalischen „Zutaten“ Rhythmus und Melodie vorstellt. Es besteht aus drei verschiedenen Elementen: Einem Dreiklangsmotiv in halben Noten, dem absteigenden Ausschnitt einer Tonleiter (mit einer Punktierung auf der ersten Note) und einem mit Pausen durchsetzten pendelnden Quartenmotiv, das wie das Pochen einer Pauke anmutet. Die Bläser wiederholen dieses Thema um einen Ton nach oben versetzt – doch nun nicht mehr im Einklang, sondern in Akkorde aufgefächert: So gesellt sich zu den Parametern Rhythmus und Melodik die Harmonik. Schließlich stellt Beethoven die unterschiedlichen Klangfarben des Orchesters vor: Streicher und Bläser sind immer wieder blockhaft einander gegenübergestellt und treffen schließlich zusammen; mit diesem Klangfarbenkontrast gehen dynamische Kontraste einher. Das chromatisch eingefärbte zweite Thema führt einen neuen, gesanglichen Gestus ein. Und mit dem Einsatz des Klaviers, das sich – unbegleitet vom Orchester – mit drei gebieterisch auffahrenden Oktavskalen die Bahn freimacht, ist der Gegensatz zwischen Tutti und Soloinstrument erstmals formuliert: Nach und nach haben sich die wie unter dem Mikroskop isoliert betrachteten musikalischen Elemente zu einem Kosmos gefügt - einem vielfarbigen Kosmos in Beethovens "Schicksalstonart" c-Moll, der auch Abgründe und finstere Farben zulässt. Ein Musikforscher hat diese neue, tragische Qualität in Beethovens Konzertschaffen treffend beschrieben: "Aus Spiel wird Ernst".

Zweiter Satz: Die Gefühle

Der zweite Satz gehört ganz dem Klavier. Die gedämpften Streicher begleiten dezent mit tupfenden Akkorden und treten nur dann hervor, wenn das Klavier schweigt. Ein Zeitgenosse schrieb im Jahr 1805: „B. hat hier mehr, als von frühern Komponisten für das Pianof. irgend einer, alle Mittel, die dies Instrument zum Ausdruck sanfter Gefühle besitzt, ins Spiel gesetzt; und denen, die aus altem Glauben […] immer noch einander nachsagen, es fehle dem Pianoforte denn doch zu zarterm Ausdruck, ist das gehörige Vorspielen dieses Stückes wenigstens eine eben so vollständige Widerlegung, als das Gehen jenes Philosophen eine Widerlegung der Zweifel seines Kollegen war, der die Bewegung leugnete.“

Dritter Satz: Die Balance zwischen Kunst und Schlichtheit

Der dritte Satz, ein symmetrisch angelegtes Sonatenrondo, lebt von seinem prägnanten Thema; Beethovens Schüler Carl Czerny empfahl: „Das Thema dieses Finales ist zwar klagend, aber mit einer naiven Einfachheit vorzutragen.“ Genau in die Mitte des Satzes baut Beethoven ein polyphon verschachteltes Fugato, in dem das spielerische Element, die naive Einfachheit des Themas, ganz ausgeklammert ist.

Der Solist: Till Fellner

Vor zwanzig Jahren hat er den bedeutenden Clara Haskil Klavierwettbewerb in Vevey gewonnen. Seitdem ist Till Fellner ein Begriff im Musikleben. Stetig ist er seinen Weg gegangen, ohne großen Hype durch die Schallplattenindustrie, ohne covertaugliche Verbiegung seines Äußeren. Till Fellner scheint das zu tun, was Generationen von Pianisten vor ihm auch schon getan haben: sich mit den großen Werken, die für sein Instrument geschrieben wurden, intensiv auseinanderzusetzen. So meidet er ialles bloß Angesagte oder Crossige und widmet sich lieber der Musik von Bach, Beethoven, Schumann.

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Doris Blaich