Musikstück der Woche vom 22.10. bis 28.10.2012

Joseph Haydn tüftelt

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AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Kein Virtuosenwerk sondern feine pianistische Effekte, keine gewöhnliche Tonart sondern etwas Besonderes, kein altbackenes Divertimento sondern eine neue Form sollte sie werden, diese As-Dur-Sonate.

Mit Haydns As-Dur-Sonate Hob. XVI: 46 konzertierte Nikolai Tokarev im Rahmen der Reihe "Internationale Pianisten in Mainz" am 12.11.2010. Wie eine Mischung aus einem russischen Großfürsten und einem Skater sähe er aus, meinte die Zeitschrift "Elle". Wie ein ganz Großer spielt der 29-jährige, meint jeder, der ihn hört.

Einmal As-Dur Des-Dur und zurück

Wie viele Sonaten Joseph Haydn wirklich für Klavier komponierte, ist gar nicht so klar. Als noch zu Lebzeiten Haydns eine Gesamtausgabe seiner Werke erschien, beinhaltete diese 34 Klaviersonaten. Knapp hundert Jahre später erschien 1918 eine redigierte Gesamtausgabe, diesmal mit 52 Sonaten. Und mittlerweile listet die Wiener Urtext-Ausgabe 62 Klaviersonaten. Auch was die Entstehungszeiten der einzelnen Werke angeht, herrscht nicht immer Klarheit, da das Veröffentlichungsdatum oft nicht mit dem Datum der Komposition übereinstimmt. Auch im Falle der 1786 gedruckten As-Dur-Sonate ist das so. Wahrscheinlich entstand sie wesentlich früher, ähnlich wie ihr Vorgängerwerk, die Es-Dur-Sonate Hob. XVI: 45, die 1766 komponiert und erst 1788 veröffentlicht wurde.

Haydn war kein besonders guter Pianist, jedoch waren für ihn die Tasteninstrumente jener Ort, an denen er unterrichtete, improvisierte und vor allem komponierte. Ob Hammerklavier, Cembalo oder Fortepiano - zu Haydns Zeit blühte der Klavierbau, und die neuen Möglichkeiten der Instrumente inspirierten ihn, auch kompositorisch an der Form der Klaviersonate herumzutüfteln und sie aufblühen zu lassen. Aus dem freundlichen, gefälligen Divertimento alter Zeit entwickelte Haydn die neue Form der Sonate und experimentierte mit ihr. In diesem Kontext ist die As-Dur Sonate anzusiedeln, in der Haydn mehrere bemerkenswerte Dinge einführte. Zum Beispiel entschied er sich für eine ungewöhnliche Tonartenwahl; nach dem Kopfsatz in As-Dur steht der langsame Satz in Des-Dur. Nicht weniger als sieben Fermaten lassen im ersten Satz aufhorchen, die rechte Hand hat einen riesigen Umfang abzudecken und perlt über die ganze Breite der Tastatur -  all das ist pianistisch höchst effektvoll.

Der Pianist Nikolai Tokarev

Nikolai Tokarev wurde 1983 in Moskau geboren und entstammt einer musikalischen Familie. Sein Vater ist Konzertpianist, seine Mutter Cellistin. Er begann seine musikalische Ausbildung 1988 an der renommierten Gnessin Musikschule in Moskau, die er 2001 mit Auszeichnung abschloss. 2004 bis 2006 studierte er am Royal Northern College of Music in Manchester bei Dina Parakhina. Sein Post Graduate Studium machte er in Düsseldorf bei Barbara Szczepanska an der Robert-Schumann-Hochschule.

Bereits 1989 debütierte er mit sechs Jahren mit einem Soloabend in Moskau. Im Alter von 14 Jahren begann er in Europa und Japan zu konzertieren. Im Jahre 2000 wurde Tokarev Preisträger beim "10. Eurovision Grand Prix of Young Musicians" in Bergen, Norwegen. Im gleichen Jahr trat er in Tokyo mit dem Yomiuri Nippon Symphony Orchestra unter Gerd Albrecht auf. Im September 2006 erhielt er den "Orpheum Public Award" beim 8. Internationalen Orpheum Musik Festival in der Tonhalle Zürich.

Im gleichen Jahr erspielte er sich den 2. Preis und den Publikumspreis beim "Géza Anda-Wettbewerb" in Zürich. Nikolai Tokarev gastiert regelmäßig bei internationalen Festivals – unter anderem bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen, beim Schleswig-Holstein Musik Festival, dem Rheingau Musik Festival, beim Kissinger Sommer, dem Davos Musik Festival und den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern. Er konzertiert mit zahlreichen Orchestern, unter anderem mit den Münchner Philharmonikern, dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, dem Gstaad Festival Orchestra und dem BBC Philharmonic Orchestra. Nikolai Tokarev lebt in Düsseldorf und Moskau.

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Kerstin Unseld