Musikstück der Woche vom 24.9.2012 bis 30.9.2012

Schaffensrausch am Rhein

Stand
AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Gut 30 Minuten Sinfoniepartitur in gut 30 Tagen - So sieht die eindrucksvolle Schaffensbilanz aus, in der Robert Schumann im Jahr 1850 seine "Rheinische Sinfonie" komponierte.

Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg spielte Schumanns Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 97 unter der Leitung seines Chefdirigenten François-Xavier Roth am 21. November 2009 Schumanns im Konzerthaus Freiburg.

Audio herunterladen (43,5 MB | MP3)

Inspiriert vom Kölner Dom

Robert Schumann (Foto: SWR, SWR -)
Robert Schumann

Wann waren Sie denn das letzte Mal am Rhein? Klingt es dort so, wie der Anfang von Schumanns Sinfonie? Voll rhythmischer Energie? Synkopisch und pulsierend, wie der volle Orchesterklang von Anbeginn an heranschwappt, wie er dann in majestätischem Strom fließt, immer von wellenartigem Puls vorwärtsgeschoben? Klingt da der Rhein in der "Rheinischen" durch?

Man könnten es so hören. Man hört es vielleicht gerne so. Aber Schumann erteilt solchen Bildern eine Absage: "Ein nicht gutes Zeichen für eine Musik bleibt es immer, wenn sie einer Überschrift bedarf; sie ist dann nicht der inneren Tiefe entquollen, sondern erst durch irgendeine äußere Vermittlung angeregt." Und daher strich er alle Bezeichnungen in seiner Sinfonie, die er zuvor beschreibend und programmatisch im Manuskript notiert hatte, kurzerhand wieder. Nicht mal die Bezeichnung "Rheinische Sinfonie" stammt von ihm, dieser Titel, der gern mit "rheinischer Fröhlichkeit" assoziiert wird.

Froschperspektive Kölner Dom von außen (Foto: SWR, SWR/Telepool -)
Der Kölner Dom heute

Fröhlichkeit allerdings steckt unzweifelhaft in dieser chronologisch letzten Sinfonie Schumanns drin. Denn eine euphorische Stimmung erfüllte Robert Schumann, als er 1850 mit seiner Frau Clara und den Kindern nach Düsseldorf umgezogen war, um dort das Amt als Städtischer Musikdirektor anzutreten. Und wenige Tage nach dem Umzug begann er, seine Sinfonie zu schreiben. Der Anblick des Kölner Domes habe ihn inspiriert, berichtete er später. Einen Dom allerdings, der erst 30 Jahre später so aussehen sollte, wie wir ihn heute kennen. Aber schon 1850 scheint er eindrucksvoll genug gewesen zu sein, um sich davon inspirieren zu lassen.

Lebensfroh, hoffnungsvoll, tatendurstig, ja visionär muss Schumann in dieser Zeit gewesen sein. Denn an den fünf Sätzen seiner Sinfonie komponierte er nicht einmal einen Monat: Zwischen 7. November und 9. Dezember 1850 entstanden diese 30 Minuten Musik, allein die Skizze zum ersten Satzes schrieb Schumann wie im Schaffensrausch in zwei Tagen nieder. "Wer überhaupt was machen kann, muß es auch schnell machen können, und je schneller desto besser. Der Gedankenfluss und Ideengang ist wahrer und natürlicher als bei langer Reflexion", erklärte Schumann einem, der sich über diesen Entstehungsprozess im Geschwindmarsch wunderte.

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg

Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg (Foto: SWR, SWR - Klaus Pollowski)

Das 1946 gegründete SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg identifiziert sich bis heute mit den Idealen seiner "Gründerväter", die der festen Überzeugung waren, dass die engagierte Förderung der neuen Musik ebenso wichtiger Bestandteil des Rundfunk-Kulturauftrags ist wie der Umgang mit der großen Tradition.

In diesem Sinne haben die Chefdirigenten von Hans Rosbaud über Ernest Bour bis zu Michael Gielen gearbeitet und ein Orchester kultiviert, das für seine schnelle Auffassungsgabe beim Entziffern neuer, "unspielbarer" Partituren ebenso gerühmt wird wie für exemplarische Aufführungen und Einspielungen des traditionellen Repertoires eines großen Sinfonieorchesters. An die 400 Kompositionen hat das Orchester bisher uraufgeführt und damit Musikgeschichte geschrieben; es gastiert regelmäßig in den (Musik)-Hauptstädten zwischen Wien und Amsterdam, Berlin und Rom, Salzburg und Luzern. Von 1999 bis 2011 hat Chefdirigent Sylvain Cambreling das Orchester entscheidend geprägt. Seit September 2011 steht François-Xavier Roth an der Spitze.

Stand
AUTOR/IN
Kerstin Unseld