Musikstück der Woche vom 16.7.2012

"Gott erhalte Franz den Kaiser"

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Haydns Variationen in einer Bläserbearbeitung - vielleicht von Joseph Triebensee

Wenn Sie unser Musikstück der Woche bei schönem Wetter im Garten hören, dann handeln sie sozusagen historisch korrekt. Die Bläserbearbeitung von Joseph Haydns Kaiser-Variationen ist eine echte Freiluftmusik. Unsere Produktion aus dem Jahr 2010 wurde allerdings drinnen gemacht: Im Asamsaal des Ettlinger Schlosses. Das Amphion Bläseroktett spielt.

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Joseph Haydn (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)

Wer im Wien des 18. Jahrhunderts reich, schön und vor allem gesellschaftlich einflussreich war, kam vielleicht in den Genuss einer Einladung: Dreimal in der Woche fand am Spätnachmittag ein kleines Konzert im fürstlichen Gartenpalais des Fürsten Johann I. von Liechtenstein statt. Es spielte die Harmoniemusik des Fürsten, ein Dutzend Musiker mit verschiedenen Blasinstrumenten. An ihrer Spitze: der Oboist Joseph Triebensee.

Kaiser Joseph II. hatte mit seinem Bläserensemble, der "Kaiserlichen und königlichen Harmonie" einen echten Trend gesetzt. Das Ensemble bestand aus je zwei Oboen, Klarinetten, Fagotten und Hörnern. Der Kaiser hatte dafür die besten Virtuosen seiner Zeit engagiert - unter anderem Mozarts Klarinetten-Freund Anton Stadler. Schnell ahmten repräsentationsbewusste Fürsten das Vorbild nach. In Zeiten knapper Kassen war eine "Harmoniemusik" ein guter und günstiger Ersatz für ein Orchester. Außerdem konnte man die Musik so auch im Freien genießen - bei der Jagd, bei geselligen Ausflügen, bei Militärparaden genauso wie im Gottesdienst, als Tafelmusik oder bei Kammerkonzerten und Bällen.

Schnell bildete sich für diese neuartige Besetzung ein neues Repertoire heraus. Das bestand zum großen Teil aus Bearbeitungen von Opern. So konnte man die neuesten Opernarien in einer Art Pocket-Version auch in entlegenen Gegenden nachhören. Viele Komponisten nutzten die Harmonie-Bearbeitungen auch zu Werbezwecken: Sie brachten die Noten schon vor der Uraufführung der Oper heraus, um das Publikum neugierig zu machen.

Einer der wichtigsten Arrangeure seiner Zeit ist Joseph Triebensee: 1772 als Sohn eines vorzüglichen Oboisten geboren, lernte er bald das Oboespielen und nahm Kompositionsunterricht bei Johann Georg Albrechtsberger (bei dem übrigens auch Beethoven gelernt hat). Mit 17 spielte er im Bläser-Ensemble des Fürsten von Liechtenstein, wenige Jahre später wurde er zum Leiter der Liechtensteiner Harmoniemusik ernannt.

Möglicherweise ist Triebensee auch der Bearbeiter von Joseph Haydns Variationssatz aus dem berühmten "Kaiserquartett". Das legt zumindest ein zeitgenössischer Notenkatalog nahe - in dem allerdings ziemlich viele Fehler stecken. In der ersten Oboenstimme taucht in dieser Bearbeitung einmal ein besonders hoher Ton auf, den man im Violinschlüssel nur mit vier Hilfslinien notieren kann: ein g'''. Solch hohe Töne werden sonst in dieser Zeit nicht von Oboisten verlangt. Stammt die Bearbeitung deshalb vielleicht von einem Musiker, der die Möglichkeiten und Grenzen der Instrumente nicht so gut kannte? Oder womöglich gerade von Triebensee, der ja ein glänzender Oboist war und sich hier vielleicht eine kleine Show-Einlage eingebaut hat? Wir wissen es nicht. Sicher ist jedenfalls: die Kaiserhymne samt Variationen klingt in diesem Arrangement ausgesprochen abwechslungsreich, bunt und wirkungsvoll.

Amphion Bläseroktett

Es geschieht eher selten, dass ein Bläserensemble in die internationale Kammermusikelite aufsteigt. Dem Amphion Bläseroktett ist es gelungen. Als Gewinner des selten vergebenen ersten Preises beim "Van Wassenaer Concours", einem Wettbewerb für Alte Musik, 1998 in Den Haag, sorgte das Ensemble schon kurz nach seiner Gründung für internationale Aufmerksamkeit. Es folgten Engagements zu Festivals und etablierten Konzertreihen in ganz Europa.

Als Absolventen der Schola Cantorum in Basel, dem Mekka für historische Aufführungspraxis, standen den Mitgliedern des Amphion Bläseroktetts auch die Türen zu den international renommierten Barockorchestern weit offen. Sie arbeiteten unter Dirigenten wie William Christie, John Eliot Gardiner, Gustav Leonhardt, Jordi Savall und anderen im Ensemble oder auch solistisch.

Das Repertoire des Ensembles reicht von den bekannten Originalkompositionen Mozarts und Beethovens über Wiederentdeckungen heute vergessener böhmischer und Wiener Meister bis hin zu typischen Bearbeitungen von Opern und Sinfonien des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Die Bläser des Amphion Oktetts spielen auf Instrumenten aus der Zeit um 1800 oder deren originalgetreuen Kopien.

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Doris Blaich