Musikstück der Woche mit dem Trio con Brio Copenhagen

Joseph Haydn: Klaviertrio Es-Dur Hob XV:29

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AUTOR/IN
Leonore Kratz

Angeklagt und für unschuldig befunden

Böser Anfang – böses Ende? Gleich das erste Klaviertrio, das Joseph Haydn veröffentlichte, brachte ihm eine gerichtliche Klage ein. Gut, dass er sich nicht entmutigen ließ und die Geschichte der Haydn-Klaviertrios kein böses Ende nahm. Das SWR2 Musikstück der Woche ist eines der späten Trios und wurde mitgeschnitten bei einem Bruchsaler Schlosskonzert im September 2008. Das „Trio con Brio Copenhagen“ spielt.

Haydns Büste in der Haydn Ausstellung in Eisenstadt, Österreich (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa - Barbara Gindl)

Ein guter Anfang ist die halbe Arbeit. Ob sich das auch Joseph Haydn dachte, als er 1784 seinem Verleger William Forster drei Klaviertrios nach London schickte? Im Umschlag war sein eigenes erstes Trio für Klavier, Violine und Cello, dazu zwei Werke des Komponisten Ignaz Pleyel. Der Verleger veröffentlichte alle drei Trios unter Haydns Namen, was zu einer gerichtlichen Klage gegen Haydn führte. Denn England war zu dieser Zeit das einzige Land, in dem es bereits ein musikalisches Urheberrecht gab. Haydn hatte Glück im Unglück, die Sache wurde außergerichtlich geregelt. Auch finanziell stand der geschäftstüchtige Komponist auf der Sonnenseite.

315 Gulden für sechs Klaviertrios

„Wer mich am besten bezahlt, soll meine Arbeiten erhalten“, schrieb Haydn einmal selbstbewusst in einem Brief an einen Verleger - und Haydn (ein außerordentlich geschickter Geschäftsmann) konnte es sich leisten. Gleich der erste Triodruck von 1784 eröffnete die Erfolgsgeschichte der insgesamt 27 Klaviertrios in den europäischen Musikverlagen. Seine späteren Trios konnte man dann in ganz Europa hören – und kaufen: Sie erschienen in London, Wien, Paris, Offenbach, Amsterdam und Leipzig im Druck. Im Jahr 1789 stellte Haydn seinem Verleger Breitkopf 315 Gulden für sechs Klaviertrios in Rechnung. (Zum Vergleich: Für sechs Klaviersonaten gab es nur 270 Gulden – und das war immer noch ein gutes Honorar.)

In Haydns Schaffen lässt sich eine Entwicklung von den frühen bis zu den späten Klaviertrios beobachten. Am Anfang, in den frühen 1780er Jahren, dienten Klaviertrios vor allem für das private Musizieren im Salon und gaben guten Stoff ab für den Klavierunterricht junger Damen. Daraus erklärt sich die ungleich verteilte Gewichtung der drei Stimmen: Die Melodien gehören dem Klavier – schließlich hatten die Damen reichlich Zeit zum Üben –, Violine und Cello (für die Herren) haben hauptsächlich begleitende Funktion. In Haydns Klaviertrios jedoch ist von Anfang an eine gleichberechtigtere und phantasievollere Behandlung der beiden Streichinstrumente sichtbar. Ein auffälliges Merkmal der späten Trios ist das Spiel mit ungewöhnlichen Tonarten, vor allem mit Gegensätzen von Kreuz- und B-Tonarten. So wie im Es-Dur-Trio, dessen zweiter Satz (Andante) in H-Dur steht – ein gewaltiger Sprung von 3 b-Vorzeichen zu 5 Kreuzen.

Tastenpart für Profis

Das Es-Dur-Trio gehört zu Haydns letzter Serie von Klaviertrios; 1796 ist diese Dreiergruppe in London entstanden. Die drei Trios sind der professionellen Pianistin Therese Jansen-Bartolozzi gewidmet, auf deren Hochzeit Haydn im Jahr zuvor Trauzeuge war. Die Widmung an eine Profi-Klavierspielerin kann man hören: Der Klavierpart ist deutlich anspruchsvoller als in anderen Klaviertrios von Haydn.

Im Es-Dur-Trio wird besonders im ersten Satz „Poco allegretto“ Haydns Experimentierfreude deutlich – zum Beispiel in der Abkehr von konventionellen musikalischen Formen. Anders als zu seiner Zeit üblich, schreibt Haydn den ersten Satz seines Es-Dur-Trios nicht in der klassischen Sonatensatzform. Stattdessen kreiert er eine Mischform: Zum einen hört man einen Variationensatz über ein vergnügtes, hüpfendes Thema in Form eines Rondos. Zum anderen ist aber auch eine dreiteilige Liedform (Dur-Moll-Dur) erkennbar. Nach dem plötzlichen und gut hörbaren Harmoniewechsel von Es- nach H-Dur macht der zweite Satz „andantino et innocentemente“ seiner Überschrift alle Ehre. Er hat einen milden und unschuldigen Tonfall – als wäre er ein Plädoyer für Haydns Unschuld in der erwähnten Urheberrechts-Klage. „Attacca“ geht es dann in den dritten Satz über. Dieser letzte Satz ist mit „Allemande“ überschrieben, einer Bezeichnung für einen Barocktanz. Beim Hören erschließt sich diese Betitelung nicht, die schnellen Rhythmen und perlenden Noten vor allem im Klavier laden nicht eben zum zeremoniellen höfischen Gesellschaftstanz ein. Im Erstdruck hieß der Satz noch anders: „Finale in the German Style.“ Vielleicht wählte Haydn diese Überschrift ja, um das Publikum der Londoner Uraufführung behutsam vorzuwarnen – sonst hätte so mancher Zuhörer den sehr modernen Scherzo-Tonfall womöglich als zu exotisch empfunden.

Trio con Brio Copenhagen

„Zwei plus Zwei macht drei“ – mit diesem Motto umschreibt das „Trio con Brio Copenhagen“ seine Gründungsgeschichte: Die koreanischen Schwestern Soo-Jin Hong (Violine) und Soo-Kyung Hong (Violoncello) musizieren bereits seit ihrer Kindheit miteinander. Die Cellistin spielte außerdem über viele Jahre im Duo mit dem dänischen Pianisten Jens Elvekjaer, ihrem jetzigen Ehemann. So kamen die Musiker auf die Idee der „Paarzusammenführung“. Das war 1999 an der Musikhochschule Wien. Womöglich inspirierten die feurigen persönlichen Beziehungen sowie die kulturellen Unterschiede innerhalb des Ensembles zur Wahl des Trio-Namens: „Con Brio“ heißt „mit Eifer“. International bekannt wurde das Trio, als es 2002 den renommierten ARD Musikwettbewerb in München gewann. Mittlerweile gibt das Klaviertrio europaweit, in Asien und den USA Konzerte und macht regelmäßig CD-Aufnahmen. Das Repertoire umfasst Klassiker wie Beethovens Tripelkonzert op. 56 ebenso wie eigens für das Trio Con Brio komponierte, zeitgenössische Werke. Die drei Musiker leben heute in Kopenhagen. Für Kompositionen aus ihrer skandinavischen (Wahl-) Heimat setzen sich die Con Brios mit besonderem Eifer ein.

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Leonore Kratz