Musikstück der Woche vom 1.05.2017

Brahms aus Schwetzingen

Stand
AUTOR/IN
Antje Tumat
Doris Blaich

Johannes Brahms: Klarinettenquintett h-Moll op. 115

Das Klarinettenquintett von Brahms ist ein musikalischer Lebensrückblick - und eines der Lieblingswerke der Kammermusikliteratur. In unserem Konzertmitschnitt spielt der Klarinettist Jörg Widmann gemeinsam mit dem Quatuor Diotima. Das Konzert war am 1. Mai 2017 bei den Schwetzinger SWR Festspielen im Mozartsaal des Schwetzinger Schlosses.

Das Klarinettenquintett von Johannes Brahms ist ein Alterswerk voller Komplexität und Dichte. Seit dem großartigen Erfolg bei seiner Uraufführung zählt es zu Brahms' beliebtesten Werken. In Besetzung und Satzfolge an Mozarts Klarinettenquintett anknüpfend, ist das Quintett darauf angelegt, das kompositorische Resümee eines ganzes Lebens zu ziehen: Es entstand 1891, nachdem Brahms sein Testament bereits an seinen Verleger und Freund Fritz Simrock geschickt hatte.

Dass er sich noch einmal einer neuen und für die Kammermusik des 19. Jahrhunderts so ungewöhnlichen Gattung wie dem Klarinettenquintett zuwandte, hängt insbesondere mit der Person des Klarinettisten Richard Mühlfeld zusammen. Die Musikalität des Solobläsers aus dem Meininger Hoforchester und die unvergleichliche klangliche Qualität seines Klarinettenspiels hatten Brahms bei einem Aufenthalt in der herzoglichen Residenzstadt fasziniert. Man könne "nicht schöner Klarinette blasen, als es der hiesige Herr Mühlfeld tut", schrieb er an Clara Schumann.

Er ließ sich von Mühlfeld in die Spielweise des Instruments einweihen und zur Komposition von vier Werken mit Klarinette inspirieren: neben dem Quintett op. 115 (1891) auch zu dem Trio op. 114 (1891) sowie den beiden Sonaten op. 120 (1894).

Alles ist aus einem Kern herausgeschält

Der Komponist Johannes Brahms (Foto: IMAGO, Imago - imago stock&people)
Der Komponist Johannes Brahms

Brahms hatte schon immer eine Vorliebe für die satte klangliche Mittelage, und dass die Verwendung der Klarinette in diesem Kontext den Gattungsnormen der Zeit widersprach, konnte ihm im vorgerückten Alter gleichgültig sein: Im Zentrum dieser späten Werke ging es ihm einzig um die Umsetzung seiner ureigensten kompositionstechnischen Ideen. Das Quintett lebt weniger von den selbstständigen Einzelstimmen als von einer klanglichen Homogenität, in der die Klarinette einen besonderen Farbwert darstellt.

Im zweiten Satz, einem dreiteiligen Adagio in H-Dur, in dem die Streicher durchgängig con sordino (mit Dämpfer) spielen, tritt das Soloinstrument allerdings in besonderem Maße hervor: Der h-Moll-Mittelteil wird von einem Rezitativ der Klarinette eingeleitet, und die folgenden improvisatorischen Umspielungen erinnern an Elemente aus der ungarische Folklore.

Das gesamte Werk wird dominiert von einer übergreifenden Idee: So gibt es gibt kaum ein Thema, das nicht auf das Grundmotiv des ersten Satzes zurückgeführt werden kann. Die Coda des letzten Satzes zitiert schließlich in pointierter Weise die beiden wichtigsten Motive des Kopfsatzes. Sie konfrontiert diese mit dem Motiv der letzten Variation, so dass sich am Ende des Werkes der kompositorische Kreis motivischer Verwandtschaften in einem weiten melancholischen Rückblick schließt.

Jörg Widmann

Jörg Widmann - in seiner musikalischen Brust schlagen gleich drei Herzen: Er ist Klarinettist, Komponist und Lehrer. Seit 2001 ist er Professor für Klarinette an der Freiburger Hochschule für Musik, 2009 erhielt er dort eine zusätzliche Professur für Komposition. Für sein Schaffen wurden ihm zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen und Preise verliehen. Als Solist kann man ihn auf der ganzen Welt hören - mit den großen Orchestern und auch oft und gerne in unterschiedlichen Kammermusikformationen.

Quatuor Diotima

Das Quatuor Diotima feiert 2016 sein 20-jähriges Bestehen. Sein Name geht zurück auf Luigi Nonos Werk "Fragmente – Stille, an Diotima" und zeigt die Vorliebe des Quartetts für zeitgenössische Musik. Die Musiker sind Partner zahlreicher Komponisten wie Helmut Lachenmann, Brian Ferneyhough  oder Toshio Hosowaka und vergeben regelmäßig Aufträge an Komponisten aus der ganzen Welt wie beispielsweise Alberto Posadas, Gérard Pesson, Beat Furrer, Pascal Duspain oder Rebecca Saunders.

Das Repertoire des Quartetts beschränkt sich aber nicht auf zeitgenössische Werke, sondern geht zurück bis zur Zeit Haydns mit besonderem Fokus auf die späten Streichquartette Beethovens, die frühen von Schubert, Brahms, Bartók sowie französische Musik.

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Antje Tumat
Doris Blaich