Musikstück der Woche vom 07.09.2015

Das volle Leben

Stand
AUTOR/IN
Katharina Höhne

Robert Schumann: Fünf Stücke im Volkston für Violoncello und Klavier, op. 102

Robert Schumann durchlebte viele Krisen. Nach einem Hoch folgte ein Tief und zumindest in der Mitte der 1840er Jahre wieder ein Hoch. Alle Gedanken, die ihn nachts nicht schlafen ließen und die vielen zerplatzten Träume, die täglich an seiner Seele kratzten waren mit einem Mal weg. Schumann hörte auf zurück oder nach vorn zu schauen sondern das Leben so zu nehmen, wie es kam. Zwischen Achtsamkeit und Euphorie schrieb er die fünf Stücke im Volkston für Violoncello und Klavier op. 102. Janina Ruh (Violoncello), die Teil des Förderprogramms "SWR New Talent" ist, und Boris Kusnezow (Klavier) haben sie im Januar 2015 bei den Bruchsaler Schlosskonzerten gespielt.

Vom Scheitern

1849 wurde zu einem von Robert Schumanns produktivsten Jahren. Woher auch immer die neue Kraft kam, sie beflügelte ihn zu unendlichem Schaffen. Der romantische Komponist schrieb sich durch alle musikalischen Gattungen und widmete sich im Bereich der Kammermusik vor allem Charakterstücken. Sie gaben ihm das Gefühl frei und lebendig zu sein. In ihnen konnte er ganz er selbst sein.

Schumann mochte die kleinen Werke, denn sie waren der klangliche Ausdruck seiner lebenslangen Suche nach musikalischer Einfachheit und Reinheit. Doch so sehr er sich mit ihnen auf neue Wege begab, mit dem Großen im Kleinen, die damalige Musikwelt – zumindest so sein Eindruck – nahm keine Notiz davon. Ein Komponist, der damals Erfolg haben wollte, musste große Werke schreiben, Sinfonie, Sinfonische Dichtungen, Opern – Werke, die die Welt ausnahmslos begeisterten. Schumann hatte das zwar versucht, war aber mit seiner einzigen Oper "Genoveva" ausnahmslos gescheitert. Sowieso suggerierte man ihm viel zu oft, dass er nicht gut genug sei, ihm das gewisse Etwas fehle. Bei der Besetzung eines angesehenen Postens an einem führenden Musik- oder Theaterhaus traf die Wahl nie ihn.

Als 1846 seine Bewerbung zum Generalmusikdirektor des Leipziger Gewandhauses ins Leere lief, traf Schumann eine schwere Entscheidung: Er wollte weg aus Leipzig, einen Neuanfang. Also zog er mit seiner Familie nach Dresden. In der Stadt an der Elbe fiel er erst einmal in ein tiefes Loch. Doch zumindest in dieser Phase seines Lebens erholte er sich schnell davon und widmete sich dem Leben vor Ort. Er übernahm die Leitung der Dresdner Liedertafel, einem Laienchor, fuhr mit dem Dampfer über die Elbe, ging wandern und kehrte in die Weinstuben der Umgebung ein. Er nahm das Leben, so wie es war und schöpfte neue Schaffenskraft. 

Zurück zum Ich

Er sah wieder, was er durch seine Bemühungen in den letzten Jahren aus den Augen verloren hatte, und war fernab der musikalischen High Society Teil des bürgerlichen Lebens. Mit den fünf Stücken im Volkston, die im Frühjahr 1849 entstanden, traf er den Geist der Zeit. Das Volk sehnte sich nach einer Kunst, die jeder verstand. Er schrieb sie für Violoncello und Klavier.

Es ist eins der wenigen Werken, das Schumann dem Cello widmete. Seltsamerweise. Denn eigentlich war es sein liebstes Streichinstrument, das er als Jugendlicher zumindest für einen kurzen Moment sogar selbst gespielt hatte. 

Janina Ruh, Violoncello

Seit Februar 2014 wird Janina Ruh als "SWR2 New Talent" begleitet und gefördert. Denn die junge Musikerin hat gleich zwei Talente: Sie ist nicht nur eine herausragende Cellisten sondern auch Sängerin. 1989 in Rottweil geboren, fing sie mit acht Jahren mit Cellospiel an. Bereits mit 12 Jahren wurde sie Jungstudentin in Zürich, später in Düsseldorf. 2008 ging sie zum Studium an die Hochschule für Musik "Hanns Eisler" nach Berlin, wechselte aber und absolviert gerade ihren Master an der Universität der Künste Berlin. Daneben studiert sie Gesang und Musiktheater. 

Janina Ruh hat bereits viele Meisterkurse belegt und ist Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe, wie dem Bundeswettbewerb "Jugend musiziert" oder dem Karl Davidov Cellowettbewerb in Kuldiga/Lettland. Gemeinsam mit ihrem Klavierpartner Boris Kusnezow erhielt sie beim Deutschen Musikwettbewerb 2012 in Bonn ein Stipendium, das die Teilnahme an der Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler sowie ein Stipendium der Deutschen Stiftung Musikleben beinhaltete. Auch im folgenden Jahr wurde sie beim Deutschen Musikwettbewerb als Preisträgerin ausgezeichnet, diesmal in der Solowertung, ebenfalls verbunden mit einem Stipendium der Deutschen Stiftung Musikleben. 

Neben vielen Kammermusikkonzerten spielte sie bereits mit internationalen Orchestern wie dem MDR SINFONIEORCHESTER, dem Helsinki Philharmonic Orchestra und der Camerata Hamburg. 

Boris Kusnezow, Klavier

Boris Kusnezow wurde 1985 in Moskau geboren. Seinen ersten Klavierunterricht erhielt er an der Gnessin-Akademie. Seit 2004 studiert er an der Musikhochschule Hannover Klavier sowie Liedbegleitung und Kammermusik.

Konzerte führten den Pianisten bereits in zahlreiche europäische Länder sowie nach Asien, die USA und Südafrika. In Deutschland trat er unter anderem im großen Saal der Laeiszhalle Hamburg, im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, im Prinzregententheater sowie im Gasteig München und in der Berliner Philharmonie auf. Der große Durchbruch kam 2009, durch den Gewinn des Deutschen Musikwettbewerbs. Zwei Jahre später feierte er sein Debüt in der Carnegie Hall. Boris Kusnezow ist Stipendiat der Deutschen Stiftung Musikleben sowie der Studienstiftung des deutschen Volkes.

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Katharina Höhne