Musikstück der Woche vom 20.4.2015

Friedrich Gernsheim: Klavierquintett d-Moll op. 35

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AUTOR/IN
Katharina Höhne

Den Namen Friedrich Gernsheim kennt heute kaum einer, dabei wurde der deutsche Komponist seiner Zeit als Wunderkind gefeiert. Fritzchen, wie er liebevoll genannt wurde, konnte nicht nur ausgezeichnet Klavier und Violine spielen sondern auch komponieren. Später etablierte sich der gebürtige Wormser als angesehener Musiker, dessen Wege sich hin und wieder mit denen anderer ebenso bedeutender Persönlichkeiten kreuzten, wie denen von Johannes Brahms. Brahms hinterließ in Gernsheims Musik hörbare Spuren, besonders in seinem Quintett für Klavier, Violinen, Viola und Violoncello d-Moll op. 35, das das Schweizer Gémeaux Quartett zusammen mit Oliver Triendl (Klavier) 2014 beim SWR eingespielt hat.

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Gernsheim und Brahms - eine aufrichtige Freundschaft

Johannes Brahms und Friedrich Gernsheim waren Zeitgenossen. Ihre Wege kreuzten sich zum ersten Mal 1862. Wo und wie weiß heute keiner mehr. Nur, dass diese Wegkreuzung eine jener Begegnungen gewesen sein muss, die etwas hinterlässt, sowohl in dem einen als auch dem anderen. Bei der man spürt, dass es gar nicht viele Worte braucht, um den anderen sympathisch zu finden, und bei der sich nicht einfach nur zwei Menschen treffen sondern zwei Gleichgesinnte.

Bis zu Brahms' Tod pflegten die beiden Herren eine aufrichtige Freundschaft zueinander. Sie schickten sich Briefe, nicht sehr viele. Aber die wenigen, die quer durch Europa gingen, zeugten von ehrlicher und aufrichtiger Anerkennung.

Da Gernsheim gegenüber seinen Zeitgenossen heute kaum jemandem ein Begriff ist, sagte man ihm oft nach, dass er sich bei Brahms viel abgeguckt hätte. Dass es auch andersherum gewesen sein könnte, scheint für viele unwahrscheinlich.

Wenn Wunderkinder erwachsen werden…

Fritzchen, das kleine Wunderkind aus Rheinland Pfalz, gab schon mit elf Jahren sein Debüt. Aber nicht nur als Pianist und Violinist sondern auch als Komponist. Direkt danach folgten ausgedehnte Konzertreisen, die ihn den ganzen Rhein hinauf bis nach Karlsruhe führten und überregional bekannt machten.

Bereits mit 13 Jahren fing er an zu studieren, zunächst in Leipzig, später in Paris. Dabei begegneten ihm viele Musiker, u.a. Rossini, Saint-Saens und eben Brahms, die ihn tief beeindruckten.

Ein angesehener, wenn auch nicht sehr innovativer Zeitgenosse

Gernsheims Leben verlief lückenlos. Neben dem eigenen Spiel und seiner großen Leidenschaft für das Komponieren bekleidete er von Anfang führende Positionen im damaligen Kulturbetrieb – zunächst in Köln, dann lange Zeit in Rotterdam und später in Berlin, wo er u.a. Leiter der Königlichen Akademie der Künste war.

Gernsheim war ein angesehener Zeitgenosse, wenn auch nicht der innovativste. In seiner Musik katalysierte er Ideen von Beethoven, Mendelssohn, Spohr, Schubert und natürlich Brahms, trotzdem trug sie seine Handschrift: formvollendet und präzise durchdacht hatte jeder noch so scheinbar unbedeutende Ton eine ungeheuerliche Kraft.

Das Klavierquintett op. 35 - tief romantisch, technisch anspruchsvoll

Das Klavierquintett op. 35 entstand Mitte der 1870er Jahre. Es ist das erste dieser Gattung, das zweite folgte erst 20 Jahre später. Leider ist über seine Entstehungs- und Aufführungsgeschichte heute nichts bekannt. Musikalisch gehört es aber zu den technisch anspruchsvollsten aus Gernsheims Schaffen und ist in seinem Wesen tief romantisch und ein klangvolles Beispiel für unerschöpflichen Ideenreichtum.

Musikstück der Woche zum Download Friedrich Gernsheims Klavierquintett Nr. 2 h-Moll op. 63

Friedrich Gernsheim komponierte sehr viel – aber viele seiner Kompositionen harren noch ihrer Entdeckung. Mit der Einspielung der Klavierquintette ist eine solche 'Entdeckung' gelungen.

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Katharina Höhne