Musikstück der Woche vom 6.08. bis 12.08.2012

Karneval ohne Worte

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AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Als Oper ein Debakel, als Konzertouvertüre ein Erfolg. Auf diesen kurzen Nenner kann man Hector Berlioz' Version einiger Karnevalstage im Leben des Renaissance-Malers Benvenuto Cellini bringen.

Mit "Le Carnaval romain. Ouverture caractéristique für großes Orchester" eröffnete die Badisches Staatskapelle Karlsruhe unter der Leitung von Johannes Willig im Rahmen ihres Festjahres zum 350-jährigen Bestehen ein Konzert am 6.2.2012.

Maskenspielereien

"Le Carnaval romain" ist das erfolgreiche Extrakt eines großen Opernflopps. Denn Berlioz verarbeitete in dieser Ouverture caractéristique für großes Orchester op. 9 einige Themen seiner Oper "Benvenuto Cellini". Als das 'Schmerzenskind' unter seinen Werken fiel Berlioz‘ Oper "Benvenuto Cellini" 1838 an der Ópera in Paris durch. Der Misserfolg hatte mehrere Gründe: ein kühnes Werk, das an die Sänger und vor allem an die Titelfigur größte Anforderungen stellt – und zunächst nichts als Überforderung erntete. Bis heute hat es "Benvenuto Cellini" nicht leicht auf den Opernbühnen der Welt, diese Oper, die mit Cellini einen der größten Renaissance-Bildhauer Italiens in den Mittelpunkt stellt und deren Handlung in Rom während des Karnevals im Jahre 1530 spielt. Eine ausgelassene Stimmung gibt den Grundton an, getanzt wird Saltarello und als krönender Höhepunkt wird eine Karnevalspantomime als 'Oper in der Oper' aufgeführt.

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Als Berlioz 1844 eine Ouvertüre mit dem Titel "Le Carnaval romain" schrieb – ein Werk übrigens, das man nach heutigen Begriffen eher als Sinfonische Dichtung bezeichnen würde – übernahm er das Karnevaleske und verschaffte seinem glücklosen "Benvenuto Cellini" damit eine neue (Konzert-)Bühne.

Im September 1843 und damit ungefähr in der Zeit, als Berlioz diese Ouvertüre schrieb, lernte er auf der Durchreise in Leipzig Robert Schumann kennen. Schumann hatte Berlioz‘ "Symphonie fantastique" in der Neuen Musikzeitung glühend gefeiert, kannte also das Werk und traf nun auf den Komponisten. Zwei unterschiedliche Künstlerpersönlichkeiten sind sich da begegnet, die doch manches doch verbindet. Zum Beispiel der "Karneval". Wären sie Maler gewesen, hätten sie sich vielleicht vom bunten Maskenzauber inspirieren lassen. Komponisten aber greifen die ausgelassene Stimmung auf. Allen gemein ist die Faszination der Maskerade, die – so unterschiedlich sie sich bei Berlioz und Schumann auch geben mag – doch beide gepackt haben muss.

Schumann schrieb 1839: "Man weiß nicht, ob man ihn ein Genie oder einen musikalischen Abenteurer nennen soll. Wie ein Wetterstrahl leuchtet er, aber auch einen Schwefelgestank hinterlässt er." Diese Rezension galt zwar Berlioz‘ Waverley-Ouvertüre, sie könnte auch der zum "Carnaval romain" gelten.

Badische Staatskapelle Karlsruhe

Als eines der ältesten Orchester Deutschlands und sogar weltweit kann die Badische Staatskapelle auf eine überaus reiche und gleichzeitig gegenwärtige Tradition zurückblicken. 1662 als Hofkapelle des damals noch in Durlach residierenden badischen Fürstenhofes gegründet, entwickelte sich aus dieser Keimzelle ein Klangkörper mit großer nationaler und internationaler Ausstrahlung. Berühmte Hofkapellmeister wie Franz Danzi, Hermann Levi, Otto Dessoff und Felix Mottl leiteten zahlreiche Ur- und Erstaufführungen, z. B. von Hector Berlioz, Johannes Brahms und Béla Bartók, und machten Karlsruhe zu einem der Zentren des Musiklebens. Neben Brahms standen Richard Wagner und Richard Strauss gleich mehrfach am Pult der Hofkapelle; Niccolò Paganini, Clara Schumann und viele andere herausragende Solisten waren gern gehörte Gäste. Hermann Levi führte in den 1860er Jahren die ersten regelmäßigen Abonnementkonzerte des damaligen Hoforchesters ein, die bis heute als Sinfoniekonzerte der Badischen Staatskapelle weiterleben.
Generalmusikdirektoren wie Joseph Keilberth, Christof Prick, Günther Neuhold und Kazushi Ono führten das Orchester in die Neuzeit, ohne die Säulen des Repertoires zu vernachlässigen: regelmäßig fanden sich zeitgenössische Werke auf dem Programm; Komponisten wie Werner Egk, Michael Tippett oder Matthias Pintscher standen sogar selbst vor dem Orchester, um ihre Werke aufzuführen.


Der seit 2008 amtierende Generalmusikdirektor Justin Brown steht ganz besonders für die Pflege der Werke Wagners, Verdis und Strauss' sowie für einen abwechslungsreichen Konzertspielplan. Die Aufnahme von Berlioz' "Le Carnaval romain" dirigierte Kapellmeister Johannes Willig.

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Kerstin Unseld