Musikstück der Woche vom 2.7. bis 8.7.2012

Cote d'Azur für Streicher

Stand
AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Hört man das 'Blaue' und Sommerluftige aus einer Musik heraus, die in Südfrankreich entstand? Leicht und neoklassisch verspielt jedenfalls klingt Vincent d'Indys spätes Streichsextett B-Dur op. 92.

Die Sint Pieters Akademie spielte das Werk bei den Wieslocher Kammerkonzerten in der Psychiatrie am 15. November 2011. Dieses Konzert läutete die Festsaison zum 20-jährigen Bestehen dieser außergewöhnlichen Reihe ein.

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Spätwerk eines französischen Wagnerianers

1927 hatte d’Indy sein Leben geändert. Der Sproß einer einer alten Adelsfamilie hatte sein Château des Faugs in der Region Rhône-Alpes verlassen und war an die Cote d’Azur gezogen. 1886 hatte sich der Komponist dieses herrschaftliche Schloss bauen lassen, nach dem ersten Weltkrieg aber zog es ihn in den Süden. Aber nicht nur ein Tapetenwechsel brachte Veränderung in sein Leben. D’Indy verliebte sich neu – und das schlug sich in seiner Musik nieder. Plötzlich kam ein 'heller' Ton hervor, ein heitere wie im "Poème des rivages" (1921) oder im "Diptyque méditerranéen" (1926). Die späten Kammermusikwerke atmen etwas Leichtes, Unbeschwertes. Sie erinnern daran, dass der Neoklassizismus nicht lange vorbei war, aber sie nähern sich stilistisch nie der Moderne, die d'Indy strickt ablehnte. Obwohl er Lehrer war von Komponisten wie Albert Roussel, Erik Satie und Edgar Varèse blieb er, der überzeugte Wagnerianer, in seiner Welt, die vor allem die des 19. Jahrhunderts war.

Als d’Indy sein Streichsextett op. 92 komponierte, war er bereits 76 Jahre alt und hatte über Jahrzehnte das französische Musikleben mitgeprägt. Seinen Durchbruch hatte d’Indy, Schüler von César Franck, schon dreißig Jahr zuvor mit seiner Oper "Fervaal" und seiner zweiten Sinfonie erreicht. In Paris entwickelte sich d’Indy zu einem der schärfsten Kritiker von Claude Debussy und seinem Impressionismus. 1890 war Cesar Franck gestorben und d’Indy folgte seinem Lehrer als Präsident der Société Nationale de Musique. Wie stark d’Indy in diesen Institutionen des Pariser Musiklebens vernetzt war, zeigt auch die Widmung seines Streichsextetts: "A mon cher ami Pierre de Bréville". Mit dem Komponisten Bréville, ebenfalls Schüler von Franck, später auch von d’Indy selbst, ehrte er einen befreundeten Kollegen, der in der Zeit des Ersten Weltkrieges Kammermusik am Conservatoire de Paris unterrichtet hatte und sich auch in seinen eigenen Werken seit dieser Zeit verstärkt vor allem der Kammermusik zugewandt hatte.

Sint Pieters Akademie

In der Sint Pieters Akademie Musiker aus verschiedenen international anerkannten Kammermusikensembles, Solisten, Hochschullehrer und Orchestermusiker. Gegründet wurde das Ensemble 2005 von dem Cellisten Michael Groß mit dem Ziel Kompositionen in variablen Besetzungen zur Aufführung zu bringen und somit Werke wieder öfter erklingen zu lassen, die, bedingt durch Ihre Besetzung, durch klassische Kammermusikformationen nicht oder nur selten zur Aufführung gebracht werden. Die Besetzung der Sint Pieters Akademie wird vom Repertoire bestimmt.

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Kerstin Unseld