Musikstück der Woche vom 20.07.2015

Berauscht

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AUTOR/IN
Katharina Höhne

Karol Szymanowski: Notturno und Tarantella für Violine und Klavier, op. 28

Als Europa zwischen 1914 und 1919 tobte, verbarrikadierte sich der polnische Komponist Karol Szymanowski auf einem abgelegenen Hof in der heutigen Ukraine und verschwand in die Welt der Buchstaben und Noten. Er las sich durch die dicksten Bücher, die er finden konnte, und blätterte sich durch die Werke großer Komponisten. Berauscht von der Kunst, die er darin fand, schrieb er "Notturno und Tarantella" für Violine und Klavier. Tianwa Yang (Violine) und Nicholas Rimmer (Klavier) haben op. 28 im Herbst 2014 im Jägerhaus Forst auf die Bühne gebracht.

Zeitenwende

1915 war eins von Karol Szymanowksis produktivsten Jahren – obwohl das Leben der Menschen um ihn herum seit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf dem Kopf stand und keiner wusste, ob es jemals wieder so werden würde, wie es einmal war. 

Der Komponist Karol Szymanowski (Foto: IMAGO, Imago/Fotograf XY - imago stock&people)
Der Komponist Karol Szymanowski

1882 in dem kleinen ukrainischen Dorf Tymoschówka geboren, wuchs der polnische Komponist Karol Szymanowski in einer kunstliebenden Familie auf. Literatur, Musik, Kunst – all das gehörte von Anfang an zu Karols Leben. Sein Vater brachte ihm Klavierspielen bei, von einem befreundeten Musiker lernte er, wie man komponiert. 

Szymanowksi wuchs in einer Zeit auf, in der sich das Bewusstsein für die eigene nationale Identität stärkte und Europa in einen künstlerischen Rauschzustand geriet. In den großen Metropolen pulsierte das Leben, weil sich Künstler aus aller Welt in ihnen niederließen und sich ihre Leidenschaften auf einzigartige Weise anfingen zu durchdringen. Szymanowski – mittendrin – wurde zu einem echten Europäer. Er liebte es quer durch den Kontinent zu reisen und musikalische Spuren zu hinterlassen. Er lebte sogar einige Zeit im Ausland, und saugte vor allem in Paris, Berlin und Wien den Geist seiner Zeit auf. Kein Wunder, dass seine Musik klingt wie sie klingt: Impressionistisch à la Claude Debussy, expressionistisch à la Igor Stravinsky und romantisch wie die Musik seines berühmten Vorfahren Chopin. 

Neue Klangwege

Obwohl Szymanowksi nach Frédéric Chopin zu einer Art Schlüsselfigur der polnischen Musik avancierte, blieb er in seiner Heimat weitestgehend unbeachtet. Nur im Ausland spürte man, welche neuen Klangfarben er in seinen Werken malte – vor allem in denen für Violine und Klavier. Denn sein guter Freund, der Violinist und Komponist Pavel Kochanski, prägte sein Schaffen. Es entstanden viele Stücke, wie "Notturno e Tarantella", in denen Szymanowksi klanglich neue Wege ging: Mystisch und geheimnisvoll bahnt sich die Violine ihren Weg durch den nächtlichen Nebel, bis ihn ein tänzerischer Rhythmus wie ein Lichtschwert zerteilt. Abgelöst von einer schwungvollen Tarantella, laut und heiter, verblasst das Traumbild langsam. 

Tianwa Yang (Violine)

"Tianwa Yang ist die stärkste junge Geigerin, weit und breit" - lobte 2014 die Frankfurter Musikkritikerin Eleonore Büning. 1987 in Peking geboren, erhielt Tianwa Yang mit vier Jahren ihren ersten Geigenunterricht. Schon damals nahm sie an zahlreichen Wettbewerben teil, aus denen sie als Preisträgerin hervorging. Mit zehn Jahren kam sie dann an das Musikkonservatorium ihrer Heimatstadt und spielte drei Jahre später als jüngste Interpretin die 24 Capricen von Niccolò Paganini ein. Zahlreiche weitere CD-Aufnahmen folgten, für die sie im letzten Jahr u.a. mit dem ECHO-Klassik-Preis in der Kategorie "Nachwuchskünstlerin" sowie dem "Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik" ausgezeichnet wurde. 2003 kam Yang zum Kammermusikstudium nach Deutschland.

Yang debütierte bereits auf der ganzen Welt. Sie spielte in großen Konzertsälen wie dem Gewandhaus zu Leipzig oder dem Salle Pleyel in Paris und gastierte bei international renommierten Orchestern wie dem BBC Philharmonic oder dem New Zealand Symphony Orchestra. Die junge Violinistin gehört zur "geigerischen Weltelite", sagt die Presse. Yang spielt eine "Guarneri des Gesu" aus dem Jahr 1730. 

Nicholas Rimmer (Klavier)

Der gebürtige Engländer Nicholas Rimmer hat sich vor allem als Kammermusiker und Liedbegleiter in der Musikwelt etabliert. 1981 in Wigan geboren, entwickelte er früh seine Liebe zur musikalischen Vielseitigkeit. Neben Klavier und Komposition, studierte er noch Tonsatz, Dirigieren und Musikwissenschaft.

Seitdem er 2006 den Preis beim Deutschen Musikwettbewerb gewann, spielt und lebt Rimmer in Deutschland. An der Hochschule für Musik und Theater in Hannover setzte er sein Klavierstudium erfolgreich fort. Als Kammermusiker – in verschiedenen Formationen, u.a. mit dem Bratschisten Nils Mönkemeyer und dem von ihm gegründeten Leibniz Trio – gastierte er schon auf zahlreichen internationalen Bühnen. Er spielte u.a. beim Schleswig-Holstein Festival, in der Londoner Wigmore Hall und der Tonhalle Zürich. Mit Tianwa Yang nahm er bereits die kompletten Werke für Violine und Klavier von Wolfgang Rihm auf, für die das Duo bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Seit 2013 unterrichtet Rimmer Liedgestaltung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Frankfurt.

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Katharina Höhne