Musikstück der Woche

Das Aris Quartett spielt Antonín Dvořáks „Amerikanisches Quartett“

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AUTOR/IN
Felix Werthschulte

Arbeiten in den Ferien? Für Antonín Dvořák war das kein Widerspruch. Während seines amerikanischen Sommerurlaubs komponierte er eines seiner berühmtesten Werke: das bis heute inspirierende „Amerikanische Quartett“. Interpretiert vom Aris Quartett ist es unser SWR2 Musikstück der Woche.

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Meisterwerk aus Amerika

Ende September 1892 reiste Antonín Dvořák zum ersten Mal nach Amerika. In New York sollte er Direktor des National Conservatory of Music werden. Sein Auftrag lautete, die Musikkultur des Landes aufzubauen. Für den fest in Böhmen verwurzelten, fast 50-jährigen Komponisten war es kein leichter Schritt, die Heimat zu verlassen und sich auf eine andere Gesellschaft einzustellen. Dennoch unternahm Dvořák dieses Wagnis, stieg auf einen Dampfer und reiste über den Atlantik.

Spazieren, Plaudern, Komponieren

Das „Amerikanische Quartett“ ist neben der Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ eines der berühmtesten Werke aus Dvořáks Zeit in Amerika. Diese dauerte (mit Unterbrechung) von Herbst 1892 bis zum Frühling 1895. Das Quartett schrieb er während der ersten Sommerfrische, die er in Spillville in Iowa zubrachte – über tausend Meilen von New York entfernt.

Die sehr tschechisch geprägte Gemeinde dort war für Dvořák ein Ersatz für den Aufenthalt in Vysoká in Böhmen, wo er sonst seine Ferien zubrachte. Erholsam, auch wenn er in Spillville oft sehr einsam war. „Früh stand er um vier auf, und ging spazieren – zum Bach oder zum Fluss – und um fünf kehrte er zurück. Nach dem Spaziergang plauderte er ein wenig, kehrte heim, arbeitete …, dann ging er wieder spazieren“, erinnerte sich Dvořáks Reisebegleiter Josef Jan Kovarík.

Irgendwo zwischen Spazieren und Plaudern fand Dvořák die Ideen für ein neues Streichquartett. Innerhalb gerade einmal zwei Juniwochen war es fertig. Dank der Freiheit und Offenheit, die es ausstrahlt, wie offensichtlich die Musik die Naturklänge nachahmt, ist gelegentlich der Bezug zur „Pastorale“ von Beethoven gezogen worden. Vielleicht hört man im ersten Satz aber auch eine Eisenbahnfahrt durch die Prärie? Ganz gleich, dieser Musik wohnt in jedem Fall eine große imaginative Kraft inne.

Einflüsse aus vielen Welten

Wie schon in seiner Neunten Sinfonie gestaltet Dvořák die Themen seines Streichquartetts sehr originell. Für die Melodien verwendet er häufig die Fünftonleiter. Das erinnert an Gospels wie „Swing Low, Sweet Chariot“. Andererseits ist das Quartett auch stark von der europäischen Musik beeinflusst: die Folge der Sätze etwa, auch die enge Verzahnung der Stimmen oder das schnelle Wandern der Motive durch die Partitur.

Mit dem zweiten Satz erreicht das Stück einen elegischen Höhepunkt, es verdichtet sich wortwörtlich in der Höhe. Das Scherzo schöpft seine Kraft aus kurzen, aufstrebenden Figuren und einem raffinierten Frage-und-Antwort-Spiel. Das Finale ist ein Meisterstück aus rhythmischem Witz, melodischer Schönheit, klanglichem Volumen und großen Kontrasten.

Im Januar 1894 wurde das 12. Streichquartett Dvořáks in Boston uraufgeführt. Bis heute genießt es große Popularität. Von „amerikanischer“ ist es längst zur Weltmusik geworden.

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Felix Werthschulte