Musikstück der Woche vom 12.06.2017 mit dem Heath Quartet

Robert Schumann: Klavierquintett Es-Dur op. 44

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Starkstrom-Musik

Das erste Klavierquintett der Musikgeschichte - und gleich ein ganz großer Wurf! In unserem Live-Mitschnitt von den Bruchsaler Schlosskonzerten des SWR spielt der Pianist Aleksandar Madžar mit dem Heath Quartet. Das Konzert war am 15.09.2013.

Schumann, der Extreme

"Ganz oder gar nicht" ist Robert Schumanns Lebensthema. Immer war er extrem: seine Karriere als Pianist trieb er mit einer solch selbstquälerischen Vehemenz voran, dass er sich die rechte Hand ruinierte und den Traum vom Pianistenleben aufgeben musste. Seine Ehe mit Clara Wieck erkämpfte er gegen den erbitterten Widerstand ihres Vaters und nahm dafür den Bruch mit ihrer Familie in Kauf. Sein Arbeitsrhythmus als Komponist schwankte zwischen Lähmung und fieberhafter Schaffensekstase.

Wie im Leben, so in der Musik

Diese Neigung, sich völlig mit einem Themenfeld zu verausgaben und es erst wieder loszulassen, wenn es im umfassenden Sinne erschöpft ist, kennzeichnet auch seinen kompositorischen Umgang mit musikalischen Gattungen und Besetzungen: Viele Jahre lang schrieb er fast ausschließlich Werke für sein eigenes Instrument, das Klavier. Plötzlich, im Jahr 1840, galt sein ganzes Interesse dem Lied, dann folgt das Jahr der Sinfonien, schließlich, 1842 das der Kammermusik. Nach den drei Streichquartetten entstand das Klavierquintett Es-Dur op. 44, bis heute eines von Schumanns populärsten und am meisten gespielten Werken. Seine Frau Clara übernahm den Klavierpart bei der Uraufführung, und seither gehörte das Quintett zu ihren Lieblingsstücken. Als "wunderschön, voller Kraft und Frische" bezeichnete sie es, und setzte es immer wieder auf ihre Kammermusik-Programme.

Zum Quintett

Neben der explosiven musikalischen Kraft und dem Reichtum der Melodien und Klangfarben zeichnet sich das Quintett durch seine klare Struktur und Fasslichkeit aus. Das gilt für das vorwärtsdrängende Hauptthema des ersten Satzes, dessen musikalische Architektur genau ausbalanciert ist; und es gilt ebenso für den trauermarsch-artigen langsamen Satz. Auch im Scherzo erweist sich das thematische Ausgangsmaterial als einprägsam und einfach zugleich: es basiert auf einer schlichten auf- und absteigenden Tonleiter. Schumann baut mehrere Abschnitte ein, in denen er das Thema wie eine Fuge polyphon verschachtelt und die Themeneinsätze in Engführung einander überlappen lässt. Auch über die Satzgrenzen hinweg strebt Schumann Geschlossenheit an (eine Vorliebe, die sich auch in seinen Sinfonien zeigt): die Themen der einzelnen Sätze sind untereinander verwandt und korrespondieren miteinander. So ist etwa das Scherzo-Thema aus dem ersten Satz herausgeschält, und im Finale schichtet Schumann kunstvoll die Themen aus Kopfsatz und Schlusssatz übereinander. Kein anders seiner Kammermusikwerke erreicht eine so große Kompaktheit und Geschlossenheit der Form wie dieses Quintett.

Heath Quartet

Hierzulande ist das Heath Quartet noch ein Geheimtipp, aber in seiner Heimat England hat sich das Ensemble längst an die Spitze der jungen Kammermusikensembles gespielt. Seit 2008 genossen die vier das umfangreiche Förderprogramm des britischen „Young Concert Artist Trust“, beim Tromp International Competition in Eindhoven erhielten sie einen ersten Preis, beim Internationalen Haydn Wettbewerb in Wien einen zweiten Preis. 2011 waren sie Stipendiaten des Borletti-Buitoni Trust, dieses Jahr gewannen sie den Young Artists Award der Royal Philharmonic Society.

Das Quartett wurde 2002 am Royal Northern College of Music gegründet. Zu seinen wichtigsten Lehrern gehören Christopher Rowland und Alasdair Tait. Entscheidende Anregungen erhielten die vier außerdem von András Schiff, Erich Höbarth, Gábor Takács-Nagy und den Mitgliedern verschiedener renommierter Streichquartette wie dem Alban Berg, Smetana, Endellion, Lindsay und LaSalle Quartett. Zu den Highlights der vergangenen Jahre gehören Konzerte in ganz Europa: darunter in der Londoner Wigmore Hall, die zu den ersten Kammermusik-Adressen der Welt gehört. Das Quartett trat bei den Festivals in Kissingen, Schwetzingen und Mecklenburg-Vorpommern auf, beim Spitalfields Festival und im Wiener Musikverein, im Berliner Konzerthaus und in Großbritanniens renommierten Kammerkonzertreihen. Tourneen führten die vier durch die Niederlande und Argentinien. Die Mitglieder des Heath Quartets unterrichten als Professoren für Kammermusik an der Guildhall School of Music & Drama in London. 

Aleksandar Madžar

stammt aus Belgrad. Seinen ersten Klavierunterricht erhielt er von Gordana Malinovic, später studierte er bei Arbo Valdma, Elisso Virsaladze und Daniel Blumenthal in Novi Sad, Belgrad, Moskau und Brüssel. Aleksandar Madžar erspielte sich etliche Preise bei Internationalen Klavierwettbewerben u.a. beim Busoni-Wettbewerb in Bozen und beim Umberto Micheli-Wettbewerb in Mailand. Sein dritter Preis beim renommierten Klavierwettbewerb von Leeds 1996 machte ihn einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Der Kritiker der „Times“ pries ihn als den fantasievollsten Musiker dieses Wettbewerb-Jahres. Das Interesse der großen Orchester, darunter auch der Berliner Philharmoniker, war durch den Preis schnell geweckt. Es folgten Konzerte mit dem Royal Philharmonic Orchestra, dem BBC Philharmonic Orchestra, dem Scottish Chamber Orchestra und dem BBC National Orchestra of Wales; zu den Dirigenten zählen Paavo Berglund, Ivan Fischer, Paavo Järvi, André Previn, Myung Whun Chung, Andris Nelsons und Marcello Viotti. Seither konzertiert Aleksandar Madžar in ganz Europa – mit Soloprogrammen, Kammermusik und als Solist in Konzerten mit Orchester. Gelegentlich tritt er auch in Nord- und Südamerika auf sowie in Südafrika und dem Fernen Osten. Zu seinen Kammermusikpartnern gehören Sabine Meyer, Anthony Marwood, Mischa Maisky, Martin Fröst, Lisa Batiashvili und Juliane Banse. Aleksandar Madžar unterrichtet am Königlich Belgischen Musikkonservatorium in Brüssel.

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich