Musikstück der Woche

Das Modigliani Quartett spielt Joseph Haydn: Streichquartett B-Dur op. 76 Nr. 4

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AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Ein bisschen mehr Sonne in diesen trüben Herbsttagen? Kein Problem! Hören Sie einfach Haydns Sonnenaufgangsquartett. Der Name stammt zwar nicht vom Komponisten selber, passt aber perfekt zu diesem Stück, das sich in einem meisterhaften „Lichtcrescendo“ allmählich zu vollem Glanz entfaltet.

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Wie klingt ein Sonnenaufgang?

Wie klingt ein Sonnenaufgang? So, als schwänge sich eine strahlende Geigenmelodie in mehreren Anläufen über weite Klangflächen zu einem Fortissimo auf? Vorstellbar.

Jedenfalls klingt so der Anfang von Joseph Haydns Streichquartett, was ihm den Populär-Titel „Sonnenaufgangsquartett“ einbrachte. Im Jahre 1797, als Haydn an diesem „Lichtcrescendo“ in Quartettform arbeitete, komponierte er auch die berühmte Stelle zu Beginn seiner „Schöpfung“, in der ähnlich bildhaft die Sonne aufgeht.

Verkannte Anstrengungen des Komponisten

Haydn tat sich mit dem, was so selbstverständlich, ja natürlich klingt, keineswegs leicht. Er war bereits 65 Jahre alt und gerade aus London nach Wien zurückgekehrt.

„Die Welt macht mir zwar viele Komplimente, auch über das Feuer meiner letzten Arbeiten: aber Niemand will mir glauben, mit welcher Mühe und Anstrengung ich dasselbe hervorsuchen muß.“

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Dem Grafen Joseph Erdödy gewidmet

Haydn widmete seine Streichquartette op. 76 dem Grafen Joseph Erdödy und überließ sie ihm zum alleinigen Gebrauch; deshalb kamen diese sechs Werke erst 1799 im Druck an die Öffentlichkeit. Das Verlagshaus Artaria machte daraus eine Schmuckausgabe mit besonders würdigem, aufwändigen Titelblatt, was allgemein bewundert wurde. „Diese Quartette, deren Daseyn und Anzeige dem Recensenten eine wahre Freude macht“, war in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung zu lesen, „sind wieder ein neuer Beweis von der unversiegbaren Quelle der Laue und des Witzes ihres berühmten Verfassers, und seiner ganz werth“.

Meditative Fantasie über das beginnende Thema

Im zweiten Satz des Quartetts schuf Haydn eine fast meditative Fantasie über das anfangs in tastenden Anläufen beginnende Thema, nach dem Menuett folgt attacca – mit einem liegenden Grundton als „Brücke“ – das Trio, dessen Melodie an die Schlichtheit eines Volksliedes erinnert. Das Finale ist ein Rondo und mündet in eine wild-wirbelnde Stretta.

Namensänderung nach Wagners „Freudig begrüßen wir die edle Halle“

Übrigens änderte sich im 19. Jahrhundert der Beiname dieses Quartetts gelegentlich. Nach Richard Wagners Melodie „Freudig begrüßen wir die edle Halle“ wurde es auch als „Tannhäuser-Quartett“ bezeichnet; ein Umstand, der den Gang der Musikgeschichte auf den Kopf stellt…

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Kerstin Unseld