Musikstück der Woche

Annelien van Wauwe spielt Johannes Brahms: Sonate für Klarinette und Klavier Es-Dur op. 120 Nr. 2

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AUTOR/IN
Felix Werthschulte

Die zwei Sonaten für Klarinette und Klavier op. 120 gehören zum Spätwerk von Johannes Brahms. Ihre Inspiration geht auf Brahms’ Bekanntschaft mit dem Meininger Klarinettisten Richard Mühlfeld zurück. Das SWR2 Musikstück der Woche wird gespielt von Annelien van Wauve und Lucas Blondeel (Aufnahme Oktober 2015).

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Die Bekanntschaft mit Richard Mühlfeld ist nichts weniger als ein großer Glücksfall für die Musikgeschichte. Brahms lud den von ihm bewunderten Kollegen im April 1894 nach Wien ein.

Während einer intensiven musikalischen Zeit, bei der auch der Cellist Robert Hausmann anwesend war, legte Brahms auch seine neuen Sonaten für Klarinette und Klavier aufs Pult.

Vermutlich Anfang September schloss er die Arbeit an den Werken ab, nicht ohne vorher Mühlfeld noch einmal um sein Urteil zu bitten. Er habe, so schrieb Brahms an den Klarinettisten, "zwei bescheidene Sonaten mit Klavier" für ihn komponiert

Duo auf Augenhöhe

Die Klangschönheit, die Zartheit und die Fähigkeit zum Gesang des Klarinettentons steht zu Beginn des ersten Satzes im Vordergrund.

Dem Gesanglichen entgegen setzt Brahms eine gewisse pianistische Härte, versucht sie aber durch Anweisungen zu Piano und Pianissimo, Ausweichen in höhere Register, durch Pedal und harfenähnliche Effekte zu dämpfen. Dann entsteht eine ungeheure Kraft in Oktaven und akkordischen Blöcken.

Das Dialogische des Satzes entwickelt sich so, als müssten die beiden musikalischen Partner erst anhören, was der oder die jeweils andere zu sagen hat. Dann aber spinnt sich das feine Gespräch in Echos und Imitationen bis in kleinste musikalische Einheiten.

Mehr zu Brahms' Sonate Es-Dur op. 120 Nr. 2

Janus-Köpfigkeit

Nach dem eher intimen ersten Satz kehrt sich die Duo-Musik im zweiten Satz nach außen – scheinbar erzählend: vom Walzerrausch, von Wirtshaus und lustiger Gesellschaft. Aber nur scheinbar. Denn vor allem die mächtigen Akkorde im Klavier halten den unaufhörlichen Fluss immer wieder auf. Der Satz verbindet ebenso volkstümliche Anklänge mit schwarzer Romantik. Vor allem dann, wenn sowohl die Klarinette als auch das Klavier in ihre tiefsten Register hinabsteigen.

Die Musik „passiert“

Was ist das Finale dieser Sonate? Jedenfalls nicht das, was man vielleicht mit viel Tradition im Hinterkopf erwartet – ein schmissiges Virtuosenstück. Die Linien, die von der Klarinette unermüdlich intoniert und vom Klavier mit verhaltenen Akkorden unterfüttert werden, haben etwas Sakrales. Brahms steigert diesen Eindruck noch durch Bezüge auf barocke Polyphonie. Eine Fuge (oder Elemente daraus) als krönenden Abschluss zu setzen, das war für Brahms nicht neu. Schon in seiner ersten Cello-Sonate hatte er ähnlich gehandelt, auch wenn es dort wesentlich mehr nach dem Ausdruck eines „Jungen Wilden“ klingt. Die Musik ist hier so berührend, weil sie selbst spürbar keine ostentative Kunst mehr sein will. Kein Geklingel, kein Tand, nichts Menschengemachtes. Sie „passiert“. Und der Komponist? Der zögert, sein letztes Werk für diese Besetzung auf diese Weise walten zu lassen. Eine ausgedehnte Coda findet - durchaus virtuos - gerade noch einmal wieder ins Leben zurück.

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Felix Werthschulte