Musikstück der Woche mit dem Schumann Quartett

Joseph Haydn: Streichquartett Es-Dur op. 33 Nr. 2

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AUTOR/IN
Miriam Weiss

Kein Witz: dieses Quartett hat den Beinamen „The Joke“ – wegen seiner unerwarteten, witzigen Wendungen im Finale. Unser Mitschnitt stammt von den Schwetzinger SWR Festspielen, das Schumann Quartett spielte dort am 21. Mai 2016.

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Vergnügen oder Quartett? Vergnügen UND Quartett!

Die „ganz neu besondere Art“, mit der Joseph Haydn seine 1781 entstandenen sechs Streichquartette op. 33 in einem Werbebrief anpries, entpuppte sich als echter Paukenschlag der Musikgeschichte: Damit beginnt die Erfolgsserie der Gattung Streichquartett. 1772 wählte Haydn für sein op. 20 noch die Bezeichnung „Divertimento a quattro“. Das damals beliebte „Vergnügungsstück“ erlaubte in Umfang, Form und Besetzung eine flexible Gestaltung. Der Weg vom Divertimento zum klassischen Streichquartett, und damit der Weg hin zu einer Fokussierung auf die zwischen den Sätzen Bezüge stiftende thematische Arbeit, sieht der Haydn-Forscher Ludwig Finscher in Opus 33 verwirklicht.

Russen, Jungfern, Scherze

Wegen der Widmung an den Großfürsten Paul von Russland sind die Streichquartette auch unter dem Namen „Russische Quartette“ bekannt. Haydn, der damals als Kapellmeister am Hof des Fürsten Esterházy angestellt war, eröffnete sich aufgrund eines neuen Dienstvertrags erstmals die Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber zu schreiben und seine Werke zu publizieren. Im April 1782 veröffentlichte er die Quartette op. 33 beim Wiener Artaria-Verlag. Wenig später etablierten sich für das Opus noch zwei weitere Beinamen: Die Bezeichnung „Jungfernquartette“ geht zurück auf die allegorische weibliche Gestalt, die auf dem Titelblatt der Ausgabe von Johann Julius Hummel dargestellt war. Der Name „Gli Scherzi“ bezieht sich auf Haydns Neuerung, die Menuettsätze von nun an konsequent als Scherzi zu bezeichnen.

Quartett Es-Dur

Das Es-Dur-Quartett op. 33 Nr. 2 kommt im Kopfsatz ohne ein zweites Thema aus. Stattdessen demonstriert Haydn in der Exposition anhand des achttaktigen Hauptthemas, was es mit der Kunst der thematischen Arbeit auf sich hat: Die belebte Cantabile-Melodik der ersten Violine birgt aufgrund ihrer Intervallsprünge und rhythmisch markanten Motive bereits so viel Material, dass sich daraus allerlei Ideen abspalten und fantasievoll verändern lassen. Damit wird bereits in der Exposition begonnen, doch erst in der Durchführung als dem eigentlichen „Ort“ dieser Satztechnik zeigt sich die thematische Entwicklung in vollem Umfang, da nun alle Stimmen in diesen Prozess eingebunden werden. Während das folgende Scherzo den höfischen Menuett-Ton noch nicht ganz abgestreift hat, beginnt das schreitende Largo zweistimmig, um dann langsam in die volle Besetzung überzugehen und das charakteristische Sekund-Pendelmotiv ornamentartig immer weiter aufzufächern. An diesem Satz zeigt sich eindrucksvoll, zu welchen verschiedenen Klangwirkungen die Quartettbesetzung fähig sein kann. Das quirlig vorüberhuschende Rondothema des Finales karikiert sich am Schluss des Satzes selbst. Offenbar konnte Haydn mit diesem witzigen Ende auch beim Humor seines englischen Publikums punkten und verhalf seinem Werk damit zu seinem englischen Beinamen „The Joke“ („Der Scherz“).

Schumann Quartett

Die drei Brüder Erik, Ken und Mark Schumann bilden zusammen mit der Bratschistin Liisa Randalu das Schumann Quartett. 2007 in Köln gegründet, ließ sich das Ensemble vom Alban Berg Quartett ausbilden; prägend waren außerdem Eberhard Feltz, Rainer Schmidt und Henk Guittart. Für ihre CD mit Werken von Mozart, Ives und Verdi wurde das Quartett als Best Newcomer 2016 mit dem BBC Music Magazin Award in London ausgezeichnet. Preise, Lehrer, musikalische Partner –das Ensemble sieht diese Faktoren zwar als wichtige Bestätigung für seine Karriere, die Essenz seines Erfolgs aber misst es am Gelingen seines Miteinanders auf der Bühne. So überzeugt das Schumann Quartett besonders in der Live-Situation; getrieben von Neugier, vollziehen sie regelmäßig den Schritt bis zum Äußersten. Die vier Musiker sind sich einig: „So wirklich entwickelt sich ein Werk nur live, das ist the real thing.“

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Miriam Weiss