Opernfilm & Bonusmaterial

Jan Schmidt-Garres Fidelio Inszenierung aus St. Gallen

Stand
AUTOR/IN
Eva Hofem
KÜNSTLER/IN
Jacquelyn Wagner, Norbert Ernst, Roman Trekel, Opernchor St. Gallen, Sinfonieorchester St. Gallen

DVD-Tipp vom 24.1.2019

Ludwig van Beethovens einzige Oper Fidelio zählt laut der aktuellen Statistik des Deutschen Musikrates seltsamerweise nicht zu der Opern-Top 30 in Deutschland, und doch findet man die Geschichte um den politisch Gefangenen und seine Frau in Männerkleidung auf den Spielplänen von großen und kleinen Opernhäusern zu Hauf. Auch im beschaulichen St. Gallen wurde Fidelio im März 2018 inszeniert.

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Gut gewählte Filmschnitte

Was Regisseur Jan Schmidt-Garre da im Booklet zu seiner Produktion von Beethovens „Fidelio“ beschreibt, klingt zunächst einleuchtend. Die Schnitte und Kameraeinstellungen dieser DVD sind tatsächlich für einen Opernmitschnitt sehr passend gewählt, aber von einem wirklichen Film ist diese DVD weit entfernt. Ja, der Publikumsapplaus wurde geschnitten und es gibt auch die ein oder andere Überblendung - mehr aber unterscheidet diese Aufnahme nicht von anderen Opernmitschnitten.

Bestens aufeinander abgestimmte Ensembles

Musikalisch ist man jedoch am Stadttheater St. Gallen bestens aufgestellt: In der Hauptpartie der als Fidelio verkleideten Leonore ist die Amerikanerin Jaqueline Wagner zu hören. Sie singt mit einem angenehm-warmen Timbre, das der großen, üppigen Stimme vor allem in der Höhe die Schärfe nimmt und sie in dieser schwierigen Partie brillieren lässt. Generell ist das Ensemble bestens aufeinander abgestimmt, keine Stimme sticht mehr hervor als eine andere. Keine Frage, musikalisch passt bei dieser Produktion alles - von der kleinsten Rolle über den stimmlich überwältigenden Roman Trekel als Dracula-ähnlicher Bösewicht Don Pizzaro bis zum hauseigenen Sinfonieorchester des Theaters St. Gallen. Mit dem Tenor Norbert Ernst als Florestan hat die große Stimme von Jaqueline Wagner einen mehr als würdigen Gegenpart, dem sowohl sprachlich als auch musikalisch leicht zu folgen ist:

Mangel an deutlicher Aussprache

Doch leider können auch die perfekt intonierten und homogen gestalteten Passagen über eines der größten Leiden nicht hinwegtäuschen: die Dialoge. Selbstverständlich gibt es bei Dialog-Opern immer Schwierigkeiten, die gesprochenen Texte von Sängerseite möglichst natürlich und doch dem künstlichen Genre der Oper verpflichtend zu rezitieren. Bei vielen Dialogen dieses Fidelio mangelt es aber neben einer natürlichen Modulation auch an einer deutlichen Aussprache - und das, obwohl die Texte schon bis auf ein Minimum gekürzt sind:

Stark gekürzte Dialoge

Schwierig zu beantworten ist die Tatsache, ob es die stark gekürzten Dialoge sind, die einige Fragezeichen in der Handlung aufwerfen oder die inszenatorischen Ideen des Regisseurs. Auf der Bonus-DVD dieser Produktion sind jedenfalls fünf Interviews zu finden, die Aufschluss darüber geben sollen: Musikkritiker Christoph Schlüren spricht unter anderem mit Dirigent Otto Tausk, Sopranistin Jaqueline Wagner und Jan Schmidt-Garre über diesen Fidelio. Besonders im Regisseur-Gespräch wird deutlich, dass aber eine schlüssige und gut durchdachte Personenführung nicht immer Garant für eine gelungene Inszenierung ist.

Denn auch wenn Schmidt-Garres Leonore als omnipräsente Figur aus einer anderen Welt sieht, auf der grauen Einheitsbühne mit ausgeklügelten Schiebetüren wird dies zunächst nicht deutlich. Man wartet vergebens, dass sie Farbsymbolik zwischen rot, grau-blau und schwarz aufgelöst wird. Und auch, dass Fidelio von Beginn an als Frau statt als verkleideter Mann auftritt, mag zu verkraften sein, lenkt aber die gesamte Aufmerksamkeit und Interpretationskraft auf diese Problematik.

Was bleibt ist das Gefühl, dass der Regisseur und sein Team einen nachvollziehbaren Inszenierungsansatz entweder nicht konsequent durchgeführt haben oder aber das Ensemble nicht immer alle Ideen spielerisch umsetzen konnte. Manche Gesten wirken übertrieben und fehl am Platz, andererseits bleibt beispielsweise die Mimik der Leonore-Darstellerin im Verlauf der gesamten Oper völlig unterkühlt und lässt keine emotionale Verbindung zum Zuschauer zu.

Eine sehr gute Aufnahme

Wer also eine musikalisch sehr gute Aufnahme von Beethovens Fidelio in seiner letzten Fassung sucht, kommt bei der Produktion aus St. Gallen voll auf seine Kosten. Für Opernneulinge jedenfalls ist diese zwar schlichte, aber auch schwer zu deutende Inszenierung eher weniger zu empfehlen, auch wenn sowohl das Libretto, als auch die musikalische Form dieser Befreiungsoper von Beethoven hervorragend konstruiert wurden.

DVD-Tipp vom 24.1.2018 aus der Sendung SWR2 Treffpunkt Klassik

Stand
AUTOR/IN
Eva Hofem
KÜNSTLER/IN
Jacquelyn Wagner, Norbert Ernst, Roman Trekel, Opernchor St. Gallen, Sinfonieorchester St. Gallen