Alte und neue englische Weihnachtslieder

„The Mystery of Christmas“ von den ORA Singers

Stand
AUTOR/IN
Bettina Winkler
KÜNSTLER/IN
ORA Singers

CD-Tipp vom 4.12.2018

Und jetzt wird es schon ein bisschen weihnachtlich: Die englischen ORA Singers glänzen immer wieder mit exzellenten Aufnahmen, die internationale Aufmerksamkeit bekommen. Ob das auch für ihre aktuelle Produktion „The Mystery of Christmas“ gilt, die alte und neue englische Weihnachtslieder miteinander verbindet, weiß Bettina Winkler.

Nova! Nova! Ave fit ex Eva

– ein Weihnachtslied von James Macmillan, das mit den beiden Worten „Ave“ und „Eva“ spielt – aus Eva wird rückwärts gelesen Ave, der Gruß an die Jungfrau Maria. Damit verbunden ist der Gedanke, dass Maria die neue Eva ist, unberührt von aller Schuld – die Idee der unbefleckten Empfängnis! Ein typisches Beispiel für neue britische Kirchenmusik. Vorlage für dieses Lied ist der auch auf der CD zu hörende gleichnamige mittelalterliche Weihnachtsgesang.

Zwei Lieder alt und neu gegenübergestellt

Ein Konzept, dass die englischen ORA Singers und ihre Leiterin Suzi Digby auf ihren CDs gerne einsetzen. Und die Idee geht auf, denn diese Art der Verknüpfung über die Jahrhunderte beleuchtet Musik und Texte auf immer neue Art. So lassen sich bekannte und unbekannte Lieder in Bezug setzen, was immer wieder für Entdeckungen und Überraschungen sorgt. Doch nicht zu jedem der neueren Lieder, die ORA auf ihre CD „The Mystery of Christmas“ singen, gibt es ein mittelalterliches Spiegelbild. Dazu gehört ein ganz neues Weihnachtslied von John Rutter, das er der Dirigentin Suzi Digby gewidmet hat. Der Text stammt allerdings aus dem 15. Jahrhundert: A babe ist born – zu finden im Sloane Manuskript der British Library. Rutter kombiniert hier die Chorstimmen mit einem Marimbaphon und Crotales, kleinen Zimbeln.

Berührend interpretiert

Perfekt intonierte Stimmen, die sich den unterschiedlichsten Ansprüchen anpassen können – dafür stehen die englischen ORA Singers, sei es nun in druckfrischer zeitgenössischer Musik oder in mittelalterlichen Gesängen wie „There is no rose“ aus der Trinitiy Carol Roll, einem Manuskript aus dem 15. Jahrhundert, das im Trinity College, Cambridge, aufbewahrt wird – das früheste Zeugnis für englische polyphone Musik. Eine schlichte Weise, die auch heute noch berührt.

Aus der mittlerweile breiten Masse, die sich mit diesem Repertoire beschäftigt, leuchten die ORA Singers mit ihrer neuen CD „The Mystery of Christmas“ deutlich heraus. Ich kenne nur wenige Ensembles, die auch einen Klassiker wie „O Magnum Mysterium“, den Weihnachtshit von Morten Lauridsen, so eindringlich, klar und berührend interpretieren können. Und, auch wenn diese Musik an der Grenze zum Kitsch liegt, die ORA Singers befreien sie von falscher Sentimentalität und lassen sie glänzen.

CD-Tipp vom 4.12.2018 aus der Sendung SWR2 Treffpunkt-Klassik

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AUTOR/IN
Bettina Winkler
KÜNSTLER/IN
ORA Singers