Kompositionen von Bent Sørensen

Scheinbar Vertrautes

Stand
AUTOR/IN
Jan Brachmann
KÜNSTLER/IN
Katrine Gislinge
Stenhammar Quartet
Esbjerg Ensemble

CD-Tipp vom 22.6.2018

Kulturland Dänemark

Dänemark ist mit seinen fünf Millionen Einwohnern ein eher kleines Land in Europa, bekannt vor allem für seine Sommerferienhäuser am Strand, sein gutes Design und die exzellenten Restaurants seiner Hauptstadt Kopenhagen. Aber Dänemark ist auch ein Kulturland von Rang, nicht allein wegen seiner Literatur von Hans Christian Andersen bis Karen Blixen. Immer stärker wird Dänemark auch in Deutschland seit einiger Zeit als Musikland wahrgenommen. Die Jubiläen der Komponisten Carl Nielsen und Niels Wilhelm Gade sind hierzulande 2015 und 2017 herzlich mitgefeiert worden. Aber auch unter den Gegenwartsautoren hat Dänemark bewegende Musik zu bieten. Einer der wichtigsten Komponisten unserer Zeit ist Bent Sørensen, der am 18. Juli sechzig Jahre alt wird.

Die gleiche Geschichte aus unterschiedlicher Perspektive

Er schrieb kürzlich einen Werkzyklus mit dem Titel Papillons, der einen Klavierpart für seine Frau, die Pianistin Katrine Gislinge, mit verschiedenen Begleitungen kombiniert: einmal mit Streichquartett, einmal mit Kammerensemble, zu dem auch Bläser und eine singende Säge gehören, einmal mit Orchester. Diese drei Werke können vollkommen eigenständig aufgeführt werden. Hört man sie jedoch hintereinander, erkennt man, dass Sørensen das Ausgangs-Material der sieben Sätze in unterschiedlicher Reihenfolge und veränderten Zusammenhängen immer wieder neu präsentiert – wie in einem Karussell der Gedanken. Ihn reizte daran das filmische Verfahren, durch Veränderung der Schnittfolge dem ganzen Werk jeweils einen anderen Charakter zu geben. Es ginge ihm drum, sagte er einmal, die gleiche Geschichte auf verschiedene Weise und aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen. Zusammen mit der frisch komponierten Fantasia Appassionata für Klavier aus dem Jahr 2017 sind zwei Werke des Papillons-Zyklus jetzt beim Label Dacapo erschienen mit Katrine Gislinge am Klavier, dem Stenhammar Quartett und dem Esbjerg Ensemble.

Große erzähltechnische Finesse

Der Name Rosenbad–Papillons erklärt sich aus dem Ort, an dem die letzte Erzählung von Karen Blixen spielt, Ehrengard, 1962 geschrieben. Sie führt nach Rosenbad in Deutschland um 1840, die Zeit von Robert Schumann also, und schildert mit großer erzähltechnischer Finesse den Versuch des Mahlers Johann Wolfgang Cazotte, das Mädchen Ehrengard zu verführen. Es ist Literatur einer hoch reflektierten Romantik und einer ebenso spannungsreichen wie diskreten Erotik. All dies, die Innigkeit, die Überlagerung historischer Zeiten in einem vielstimmigen Erinnerungsstrom, findet sich auch in der Musik von Bent Sørensen .

Leichtfüßig, zart, voller Vogelstimmen ist das Scherzando aus Rosenbad–Papillons, aber ebenso voller Verletzungen, wie man sie einander nur zufügen kann, wenn man sich genau kennt. In Pantomime–Papillons, mit dem Esbjerg Ensemble wird diese Leichtfüßigkeit in ein anderes Licht getaucht und gerät zu einer nervösen Ruhelosigkeit. Zugleich aber gibt es in diesen Papillons von Bent Sørensen, deren Titel durch den Klavierzyklus von Robert Schumann inspiriert ist, auch eine starke melodische Seite. Immer wieder hört man einprägsame Fragmente, von denen man nie weiß, ob sie einem zum ersten Mal begegnen oder ob sie Erinnerungen sind. Dieses Spiel mit scheinbar Vertrautem, mit dem Auftauchen einer verschütteten Vergangenheit, gehört zu den großen Stärken Sørensens. Erschienen ist die CD bei Dacapo.  

CD-Tipp vom 22.6.2018 aus der Sendung Treffpunkt Klassik - Neue CDs

Stand
AUTOR/IN
Jan Brachmann
KÜNSTLER/IN
Katrine Gislinge
Stenhammar Quartet
Esbjerg Ensemble