Debut-CD des Ensembles Arsys Bourgogne

Selbstbewusst und vital

Stand
AUTOR/IN
Dorothea Bossert
KÜNSTLER/IN
Arsys Bourgogne

CD-Tipp vom 1.6.2018

Diese CD kommt aus Frankreich – sie stammt nicht aus Paris, sondern aus der Bourgogne. Das ist durchaus erwähnenswert, denn in kulturellen Angelegenheiten führten in Frankreich seit Jahrhunderten alle Wege nach Paris und nur dort gab es auch eine nennenswerte Kulturförderung. Das scheint sich jetzt zu ändern. Mehr und mehr Regionen emanzipieren sich und bieten ihren Einwohnern und Gästen ein eigenständiges Kulturleben von internationalem Niveau. Zum Beispiel der kleine Ort Vezelay in der Franche-Compté. Ein geschichtsträchtiger Wallfahrtsort, 45 Kilometer entfernt von Auxerre, mit einer Benediktinerabtei und einer romanischen Basilika, ein kleiner hübscher Ort mitten in Frankreich mit gerade einmal 450 Einwohnern. Aber er ist UNESCO Weltkulturerbe.

Anspruchsvolles Repertoire

Fast aus dem Nichts ist dort vor knapp 20 Jahren ein kleiner Kammerchor entstanden, mit 16 solistischen Stimmen und so engagiert, dass man ein altes Krankenhaus umgebaut hat zu einem modernen Kammerkonzertsaal für Vokalmusik. Dazu gibt es ein kleines Vokal-Festival im August, wenn die Touristen kommen. Vor zwei Jahren kam ein neuer Chorleiter, der den Durchbruch brachte, mit anspruchsvollem Repertoire von der Renaissance über Bach bis hin zur französischen Moderne und einer professionellen Chorarbeit, deren Ergebnis sich hören lassen kann. Arsys Bourgogne heißt der Chor, Mihaly Zeke heißt der Chorleiter, ein Talent aus der Stuttgarter Chorleiter-Kaderschmiede.

Der dritte Satz “Ma Robe d’amour” aus den Cinq Rechants von Olivier Messiaen ist eine Chormusik, die 1946 für genau so einen Kammerchor entstanden ist – damals gab es überhaupt nur einen einzigen Chor, der so etwas realisieren konnte, Marcel Courauds „Ensemble Vocal“ mit einigen besonders engagierten Sängern aus dem Chor des französischen Rundfunks. Für diesen jungen Kammerchor aus der Bourgogne heute ist dieses Werk kein Problem, geradezu genüsslich zelebriert es die weiten Intervallsprünge.

Vielseitig begabt

Der Dirigent des Ensembles, Mihaly Zeke ist 1982 in London geboren, als Sohn ungarischer und griechischer Musikereltern. In diesen beiden Ländern wuchs er auch auf. Klavier, Violine, Horn und Musiktheorie hat er studiert, auch einige Jahre Biologie, bevor er nach Stuttgart kam, wo Helmut Rilling sein Talent erkannte und ihn noch einmal an die Musikhochschule schickte. Über Orgel und historische Tasteninstrumente bei Jon Laukwik, kam er über Dieter Kurz zur Chorleitung, hat bei der Gächinger Kantorei und bei Frieder Bernius im Kammerchor Stuttgart gesungen und als Liedbegleiter mit vielen bekannten und jungen Solisten gearbeitet und dabei den Berliner Liedwettbewerb und den Hugo Wolf Wettbewerb gewonnen. Mit Stipendien und Förderungen konnte er in Stuttgart die künstlerische Ausbildung machen im Fach Chorleitung bei Richard Wien und Denis Rouger. Das Dirigentenforum des Deutschen Musikrates ermöglichte ihm internationale Erfahrungen mit Rundfunk- und Profichören in Stuttgart, Leipzig und Stockholm – ab 2012 war er drei Jahre lang Chorchef an der Oper Dijon und seit 2015 ist er freier Dirigent und künstlerischer Leiter eben dieses Kammerchors Arsys Bourgogne. Dazu unterrichtet er an Musikhochschulen in Dijon, Paris und Stuttgart. Ein vielseitig begabter junger Mann also, der die Chancen, die das deutsche Bildungs- und Förderungssystem ihm bot, energisch genutzt hat und jetzt also Frankreichs freie Chorszene bereichert.

Klassiker & Raritäten

Das Ensemble Arsys Bourgogne hat ein eigenes Klangbild, das auf eine klar solistische Stimmführung und - Färbung setzt, Homogenität ist demgegenüber weniger wichtig. Das Ergebnis ist alles andere als glatt, eher selbstbewusst und vital: eine kammermusikalische Musizierhaltung, die für Überraschungen sorgt und der man trotz oder vielleicht gerade wegen mancher Unebenheiten gerne zuhört. Auf der Debut-CD dieses Ensembles finden sich anspruchsvolle Klassiker der Moderne der französischen Chormusik: Claude Debussys und Maurice Ravels „Trois Chansons“, Francis Poulencs „Un soir de neige“ und Olivier Messiaens Cinq Rechants. Dazu aber gibt es auch einige Raritäten von Florent Schmitt und Joseph Canteloube sowie die Kantate „La Naissance de Venus“ von Darius Milhaud, von dessen umfangreichem Chorwerk heute kaum etwas gesungen wird… zu Unrecht, wie ich finde. Die CD ist bei dem französischen Label Paraty erschienen.

CD-Tipp vom 1.6.2018 aus der Sendung Treffpunkt Klassik - Neue CDs

Stand
AUTOR/IN
Dorothea Bossert
KÜNSTLER/IN
Arsys Bourgogne