Neues Orchesterwerk von Moritz Eggert

Meisterstück einer postmodernen Musik

STAND
AUTOR/IN
Bernd Künzig
KÜNSTLER/IN
Moritz Eggert

CD-Tipp vom 24.05.2018

Auftragsstück für die Münchner musica viva

In der zeitgenössischen Musik nimmt die Auseinandersetzung mit der Pop-Kultur mittlerweile einen breiten Raum ein. Ensembles begreifen sich heute als Band und so mancher Komponist orientiert sich an avancierten Pop-Klängen. Der Münchner Komponist Moritz Eggert, in vielerlei Hinsicht ein Mann mit Humor, hat sich 2016 mit einem Orchesterstück ausgerechnet der größten vorstellbaren Oberflächlichkeit der Pop-Kultur angenommen: nämlich dem „Muzak“. Wie er selbst eingesteht, treibt ihn diese Art der Musik zur Fahrstuhl- und Kaufhausberieselung in den Wahnsinn. Aber weil er sich nicht als Komponist autarker, in sich selbst kreisender musikalischer Systeme begreift, wollte er sich auch einmal dieser Alltagsmusik stellen. Und herausgekommen ist ein Auftragsstück für die Münchner musica viva, die nicht nur nach Muzak klingt, sondern tatsächlich auch ist. Und deshalb heißt das Orchesterstück auch vollkommen ironiefrei „Muzak“.        

Das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von David Robertson

Ursprünglich wollte sich Moritz Eggert dieser Art der „Musique d’ameublement“ mit einer Guerilla-Attitüde annähern, ihre Hohlheit unterwandern, entlarven und in etwas für ihn Wertvolles verwandeln. Das hat er nun tunlichst gelassen. Er selbst tritt als Sänger und Sprecher auf, der nun wirklich kein Klischee und keine Plattitüde der Popmusik auslässt.„Muzak“ ist ein Orchesterstück, das ordentlich gespielt werden muss. Und das tut das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von David Robertson auch. Und Moritz Eggert wirft sich mit entsprechender Verve in die Rolle eines Conférenciers durch die musikalische Hölle. Wenn Hector Berlioz die Musik einer Höllenfahrt für „Fausts Verdammnis“ heute schreiben müsste: So könnte sie klingen.

In der Tat könnte komponierte Musik kaum zeitgenössischer sein. Allerdings schert sie sich nicht im Geringsten um den musikalischen Fortschritt im Sinne der Avantgarde. Für den hat sich Moritz Eggert auch bislang nur wenig interessiert. Und so ist ihm ein Meisterstück einer postmodernen Musik gelungen, bei der man von einem wohligen Schrecken in den anderen fällt. Wenngleich das alles ernsthaft komponiert ist, so hat man dabei durchaus seinen Spaß. Da geben sich Gustav Mahler, Andre Rieu, James Bond und die Beatles ein fröhliches Stelldichein.

Medienarchäologie einer ganz spezifischen Musik

Der Clou an der Sache: Nichts in diesem Stück wird zitiert. Moritz Eggert hat weder existierende Melodien oder Songs verwendet, sondern alles selbst komponiert. Déjà-vus sind natürlich beabsichtigt. So wird der auskomponierte „Muzak“ schließlich auch zur Medienarchäologie einer ganz spezifischen Musik, die sich dennoch eine zeitgenössische nennen darf. Kunst und Leben finden hier auf eine ganz eigene Art und Weise zusammen.

CD-Tipp vom 24.05.2018 aus der Sendung SWR2 Cluster

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AUTOR/IN
Bernd Künzig
KÜNSTLER/IN
Moritz Eggert