Maria Bengtsson singt Strauss

Leicht ansprechende, bewegliche Stimme

Stand
AUTOR/IN
Jan Brachmann
KÜNSTLER/IN
Maria Bengtsson soprano
Sarah Tysman piano

CD-Tipp vom 23.3.2018

Die Frau in der Oper – besiegt, verraten und verkauft ist der Titel eines Buches von Catherine Clément, in dem sie beschreibt, wie die Frau in der traditionellen Oper als Hexe,
Hure oder Hysterikerin gezeigt wird, als Figur, die stört und beseitigt werden muss, oder aber als Opfer vom Dienst, die ihr Leben nicht selbst in die Hand nehmen kann. Doch Richard Strauss brach aus diesem Frauen-Schema aus und schuf mit seinen Librettisten, meistens Hugo von Hofmannsthal, Frauenfiguren, die als Subjekt ihre Welt gestalten, sich nicht zum Opfer machen lassen und auch nicht dämonisiert werden müssen. Die schwedische Sopranistin Maria Bengtsson, die man in Deutschland schon als Arabella auf der
Opernbühne erleben konnte, bringt nun gemeinsam mit der französischen Pianistin Sarah Tysman eine Auswahl der Lieder von Strauss auf CD heraus, die gleich mit dem ersten Stück ein ganz anderes Frauenbild entwirft. Kein Wiegenlied wird hier gesungen, keine Nähe von Frauen und Blumen beschworen, kein Gebet gesprochen, keinem Mann unglücklich nachgeweint. Herr Lenz, nach einem Text von Emanuel Freiherr von Bodmann, ist ein munteres, freches Frühlingslied mit kabarettistischen Zügen: „Herr Lenz springt heute durch die Stadt in einer blauen Hose. Und wer zwei junge Beine hat, springt säftefroh, springt sonnensatt und kauft sich bei ihm Lose”.

Moderner, urbaner Konversationston

Es sind diese Strauss-Lieder in einem modernen, urbanen Konversationston, feuilletonistisch oft, karikierend fast, die Maria Bengtsson und ihrer Klavierbegleiterin Sarah Tysman am besten gelingen. Für fünfzehn Pfennige oder Einerlei gehören dazu, auch das vertonte Backrezept in Schlechtes Wetter. Bengtssons leicht ansprechender, beweglicher Stimme liegt das Schnippische, Kapriziöse, das Gewitzte, manchmal leicht Gereizte sehr gut. Man könnte sie sich hervorragend als Ehefrau in Strauss’ Komödie Intermezzo vorstellen. Wo aber Lyrik und Leidenschaft zusammenkommen, wo es ruhig, aber nicht ohne Begehren zugeht, in Liedern wie Morgen oder Allerseelen, wird der Gesang schnell glutlos und die
Klavierbegleitung statisch. Ganz ausgezeichnet aber gelingen Bengtsson und Tysman Lieder der regungslosen Idylle, besonders Lieder der Nacht. Die Nacht heißt auch ein Lied, in dem man das erlesene mezza voce, das Singen mit halber Stimme, die Behutsamkeit, die Zwischentöne, den Sinn für schimmernde Dissonanzen zwischen Stimme und Klavier besonders schön vernehmen kann.

Mühelose Höhe

Die Lieder von Richard Strauss, der selbst mit der Sängerin Pauline de Ahna verheiratet war und für sie schrieb, sind bei Sängerinnen sehr beliebt, weil sie die Stimme leuchten lassen. Und sogar leise Lieder, wie Die Nacht, können zu Glanznummern werden, wie Maria Bengtsson es beweist. Strauss ist mit seinen Liedern seit einiger Zeit sehr präsent auf dem CD-Markt. Besonders das Strauss-Jahr 2014, das Jahr seines 150. Geburtstags, hat uns viele Neuaufnahmen beschert, darunter mit Christiane Karg und Simone Kermes. Wenn man Maria Bengtsson einmal im Vergleich mit diesen beiden Sopranistinnen hört, z. B. mit dem Lied Heimliche Aufforderung nach John Henry Mackay – ein Hymnus auf das Leben als Fest und eine Verabredung für eine Nacht zu zweit, sind bei Maria Bengtsson und Sarah Tysman, eine mühelose Höhe, sind Leichtigkeit und Kraft zu bewundern, ein duftiger Halbschatten des Timbres, von Sarah Tysman am Klavier ganz rücksichtsvoll behandelt, dazu lange Bögen und großer Atem.

Hört man dagegen Christiane Karg mit Malcolm Martineau am Klavier, bemerkt man sofort mehr Feuer in der Stimme. Karg ist als Muttersprachlerin näher am Text, greift beherzter auf das Wort und seine Bedeutungen zu. Sie phrasiert zielgerichteter, auch kleinteiliger. Zugleich zeigt sich in ihrem Gesang auch die Anspruchshaltung eines Subjekts, ein recht wilhelminischer Vitalismus, eine Erlebnisgier, die zu Strauss und seiner Zeit dazugehören. Noch anders stellt sich dieses Lied bei Simone Kermes dar – und zwar nicht nur, weil sie zu einem Arrangement für Klavierquartett singt, das Dietrich Zöllner für das Fauré Quartett angefertigt hat. Simone Kermes‘ Stimme ist dramatischer, großzügiger. Sie spürt dem Text weniger detailliert nach als die intensiv gestaltende Christiane Karg, phrasiert ähnlich weiträumig wie Maria Bengtsson, trumpft aber auch mehr auf als ihre schwedische Kollegin. Liegt der Akzent bei Maria Bengtsson mehr auf der Heimlichkeit der Aufforderung, so hört man bei Simone Kermes eher eine eindeutige Einladung; dominiert bei beiden die Weite des Gesangs, so zeigt sich bei Christiane Karg ein intimes, spannungsreiches Verhältnis zur Sprache.

Fast körperlos leicht

Und es ist die Musik von Strauss, die diesen Raum eröffnet, in dem Individualität ihre Konturen schärfen kann. Kehren wir noch einmal zurück zu Maria Bengtsson und Sarah Tysman. Im Lied Ständchen können beide ihre Virtuosität zeigen. Die Pianistin muss sehr schnell und sehr leise sein, die Sängerin fast körperlos leicht, aber sehr genau: „mit Tritten, wie Tritte der Elfen so sacht, um über die Blumen zu hüpfen”, wie es im Text von Adolf Friedrich von Schack heißt. Für Maria Bengtsson ist dieses Luftgeistgeflüster ideal. Ihre CD erschien beim Label Musikproduktion Dabringhaus und Grimm.

CD Tipp aus der Sendung SWR2 Treffpunkt Klassik - Neue CDs

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AUTOR/IN
Jan Brachmann
KÜNSTLER/IN
Maria Bengtsson soprano
Sarah Tysman piano