Der Kammerchor Stuttgart unter der Leitung von Frieder Bernius

Geistliche Chorwerke von Felix Mendelssohn Bartholdy

Stand
AUTOR/IN
Anette Sidhu-Ingenhoff
KÜNSTLER/IN
Kammerchor Stuttgart

CD-Tipp vom 6.11.2018

„Auszüge aus…“, so könnte man die Aufnahme „Jauchzet dem Herrn alle Welt“ beim Carus Verlag betiteln, sie will einen Einblick geben in ein umfangreiches, nur teilweise bekanntes Chorschaffen. Zusammengestellt sind hier Einzelstücke aus der Gesamteinspielung, die zwischen 1983 und 2008 gemeinsam mit dem Stuttgarter Kammerchor und Frieder Bernius beim Carus Verlag entstanden ist.

Wahre Höhenflüge der Vokalkunst

Ein homogener Chorklang, dem man die Herkunft vom Händelschen Oratorium und der Mozartschen Oper schon anmerkt. Eine sehr stilsichere Annäherung an Mendelssohn gelingt Frieder Bernius hier mit dem Stuttgarter Kammerchor. In 25 Jahren hat er stets aufs Neue gezeigt, wie raffiniert der begabte Komponist - trotz der Übernahmen aus allerlei traditionellen Stilelementen – das Erworbene immer wieder auf seine ganz eigene Weise mit dem modernen musikalischen Denken seiner eigenen Zeit durchdringt. Und das nicht nur in lyrischen Meisterstücken wie „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ und dem Terzett „Hebe deine Augen auf“ aus dem Elias, das auf dieser CD übrigens in der chorischen Fassung zu hören ist. In seinen reifen Werken schwingt sich Mendelssohn zu wahren Höhenflügen der Vokalkunst auf! Frieder Bernius ist sich sicher: die Erfahrungen mit den weniger bekannten Stücken schärfen - beim Einstudieren – und auch beim Hören - den Blick auf die ganz großen Würfe wie „Lobgesang“, „Paulus“ und „Elias“.                 

Einflüsse von Johann Sebastian Bach

Das Kyrie z.B. aus der deutschen Liturgie – für den Berliner Domchor im doppelchörigen a capella Satz geschrieben - zeigt, welch fein gearbeitete Strukturen und berückende Klangschönheiten in Mendelssohns kleineren Einzelwerken stecken, zu Unrecht stehen sie oft im Schatten der Oratorien. Spannend auch die insgesamt 8 Choralkantaten, aus denen es kurze Ausschnitte gibt. Hier spielen Einflüsse von Johann Sebastian Bach hinein, Mendelssohn hatte Bachs Werk ja bei seinem Lehrer Carl Friedrich Zelter kennen gelernt.

Die zwei CD‘s bieten einen kaleidoskopartigen Einblick in die verschiedenen Genres von Mendelssohns geistlicher Musik und präsentieren sie als eine Art „Best-of“ der Gesamteinspielung. Man muss also nicht zwingend die 14 teilige CD Box kaufen, wird aber vielleicht doch neugierig darauf. „Dieses Editionsprojekt“ – sagt Bernius - habe seine „Interpretation innerhalb von 25 Jahren in der künstlerischen Auseinandersetzung mit Mendelssohns herausragender vokaler Satztechnik reifen lassen.“

Ausgezeichnete Solisten

Das kann man nachvollziehen, ältere Aufnahmen unterscheiden sich in Tempo und Klangkultur durchaus von denen der jüngsten Zeit. Deutlich wird, wie dramatisch, aber auch intim Mendelssohn zwischen 1829 und 1846 Psalmvertonungen verfasste, teils a capella, teils mit Orchester. Auf die Oratorien muss man übrigens nicht ganz verzichten, es gibt herzergreifende Ausschnitte. Die Verständlichkeit des gesungenen Wortes steht bei Bernius immer im Vordergrund, der ganz unterschiedliche Charakter der Stücke wird sehr gut beleuchtet. Ausgezeichnete Solisten wie Ruth Ziesack, Christoph Prégardien, Werner Güra u.a. vervollständigen das Bild.   

CD-Tipp vom 6.11.2018 aus der Sendung SWR2 Treffpunkt Klassik

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Anette Sidhu-Ingenhoff
KÜNSTLER/IN
Kammerchor Stuttgart