Buch-Tipp

„Die Diva“ – Liebesroman über die Opernlegende Maria Callas

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AUTOR/IN
Eva Hofem

Im Roman „Die Diva. Maria Callas - die größte Sängerin ihrer Zeit und das Drama ihrer Liebe“ der deutschen Autorin Michelle Marly steht weniger die Sängerin als die Privatperson Maria Callas im Mittelpunkt, die abseits vom Rampenlicht ein bewegtes Leben führt – nicht zu vergessen die Beziehung zu Aristoteles Onassis.

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Eine einfache Internetsuche nach der Arie „Casta Diva“ spuckt im Jahr 2020 als ersten Treffer ein Video von Maria Callas aus - von 1958. Die Aufnahme entstand in der Pariser Oper. Über 60 Jahre später sieht das immer noch nach leichter Arbeit aus: Wie sie dasteht, sich selbst umschlingend die Rolle ihres Lebens singt, und vom Publikum angehimmelt wird.

Doch der Schein trügt, wie man heute weiß. Einblicke hinter die Kulissen dieses Auftritts und in das tragische Leben dieser Frau versucht Autorin Michelle Marly in Romanform zu geben und beleuchtet dabei verschiedene Lebensstationen der Sängerin. Eine wichtige Rolle spielt die Beziehung zu ihrem Ehemann Battista Meneghini.

„Amsterdam, Anfang Juli 1959 “Und ich sage dir noch einmal, Maria: Unser Zusammenleben ist sinnlos, wenn ich nicht die Kontrolle über alles habe, was dich betrifft.“ Meneghinis Worte hallten in Maria nach wie ein böser Fluch. Sie fühlte sich wie ein weiblicher Rigoletto, obwohl sie trotz ihres Zorns weniger mordlüstern war. Im Gegensatz zu Verdis trauriger Operngestalt ging es bei ihr nicht um einen Liebesreigen, sondern um Geld. Die Frage war, ob sie am Ende — anders als Rigoletto — nicht vielleicht doch die Oberhand gewinnen konnte. Dafür wollte sie ihren Mann natürlich nicht umbringen. Aber ihr war inzwischen mit aller Deutlichkeit klar geworden, dass sich ihre finanziellen Wege trennen mussten.“

Michelle Marly springt erstaunlich häufig auf der Zeitskala hin und her. Dabei spielt die Handlung des Romans nur in einer Zeitspanne von 11 Jahren, von 1957 bis 1968. Der Wechsel von weltweiten Wirkungsorten und den doch recht nah aneinander liegenden Jahreszahlen, hält die Aufmerksamkeit beim Lesen wach.

Ebenso wie die Beschreibung von bekannten Personen wie Marilyn Monroe mit ihrer Präsidenten-Affäre, Winston Churchill als Mitreisender der berühmten Mittelmeer-Kreuzfahrt und natürlich das Ehepaar Onassis, ohne die das Privatleben der Sängerin wohl damals nur halb so spannend für die Boulevardpresse gewesen wäre.

Keine halbe Stunde später gesellten sich die Ehemänner zu ihren Gattinnen, doch Maria fiel auf, dass Tina Onassis allein blieb. Die schien ihren Mann jedoch nicht zu vermissen, strahlte vielmehr den gutaussehenden Komponisten Benjamin Britten an. Maria belächelte diese Beobachtung. Elsa Maxwell hatte ihr erzählt, dass die Reedersgattin ein Faible für Männer hatte, die äußerlich etwas gefälliger waren als ihr eigener. Allerdings schien Tina noch nicht die Bekanntschaft des Tenors Peter Pears gemacht zu haben, des Lebensgefährten von Benjamin Britten.“

Größtes Thema des Buches ist die On-Off-Beziehung zu Aristoteles Onassis. Manche Stellen sind eine willkommene Lehrstunde in Sachen historischer Personendarstellung der Künstlerkreise in den 60er Jahren – wer verkehrte mit wem, wer profitierte von wem, wer hatte mit wem eine Affäre?

Literarisch könnte man jedoch auch etwas geschickter und weniger plakativ vorgehen. Auch wird das Klischeebild der „Diva“ etwas überreizt. Dabei entsteht so manche Beschreibung, bei der selbst gestandene Rosamunde-Pilcher-Fans an ihre emotionalen Grenzen kommen dürften.

„Während sie an Land zurückschwamm, dankte sie ihrer vorausschauenden Haushälterin Bruna, die sie davon überzeugt hatte, eine Perücke mitzunehmen, falls Maria nach dem Schwimmen einmal nicht genug Zeit haben sollte, ihre Haare zu frisieren. Auf diese Weise konnte Maria ihrer Rolle als Diva heute Abend gerecht werden. Zumindest optisch. Ihr Herz wusste, dass sie nichts anderes zu sein ersehnte als die Frau an der Seite von Aristoteles Onassis und dass sie nur ihm gefallen wollte.“

Natürlich erkennt man in Maria Callas auch die Frau der Nachkriegszeit, deren großer Wunsch, eine eigene Familie zu gründen und in die damals klassische Frauenrolle zu schlüpfen, immer wieder thematisiert wird.

Michelle Marly schreibt hier einen Musikerroman, der in der Reihe „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“ erschienen ist. Und diese beiden allumfassenden Schwerpunkte sind in jedem Fall getroffen. Ebenso wie Marias in diesem Spannungsfeld entstehenden Versagensängste.

Maria stand auf einer Empore, von der eine geschwungene Treppe hinabführte, ihr weißes Brautkleid war blutbefleckt — natürlich handelte es sich nur um rote Farbe —, in der Hand hielt sie ein Messer, das nur ein Theaterdolch war. Maria malträtierte ihre Stimmbänder, um die Koloraturen der Belcanto-Oper perfekt zu intonieren. Sie hatte es fast geschafft, bislang fehlerlos. Nur noch das hohe Es. Gleich käme sie, diese Note, die viele Sopranistinnen nie erreichen konnten. Sie wusste, dass das Publikum davon ausging, dass es bei ihr anders wäre — man wusste, dass die Callas es vermochte, sie zu singen.“

Die deutsche Autorin Michelle Marly legt einen lockeren und frischen Roman über das Leben der Sängerin vor, der vor allem durch die detailreich erzählten Emotionen zwischen Maria und Aristoteles Onassis besticht. Einzig der Ausgang des Buches lässt den Leser ein wenig im Regen stehen: Von den tragischen Ereignissen beider Leben nach Ende der Liebesaffäre erzählt leider nur das Nachwort der Autorin.

Die zahlreichen Episoden auf der Luxus-Yacht „Christina“ lassen durchaus vergessen, dass es sich bei den Hauptcharakteren um real existierende Personen handelt – es könnte auch ein modernes griechisches Märchen sein. Ein gelungener Einstieg in die Callas-Thematik ist dieser Roman allemal. Denn das Netz zwischen Realität und Fiktion ist dicht gewoben und macht einmal mehr klar, dass „die Callas“ weit mehr als nur „Casta Diva“ ist.

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