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Maxim Emelyanychevs neue Einspielung: Händels „Theodora“

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AUTOR/IN
Susanne Benda

Der 34-jährige russische Dirigent Maxim Emelyanychev galt schon im Knabenchor von Nischni Nowgorod als Wunderkind – „Mozart“ hat man ihn dort genannt. Er war im Opernhaus von Perm Cembalist unter Teodor Currentzis, und als er im Oktober 2022 erstmals am Pult der Berliner Philharmoniker stand, hat man seinen Mozart-Interpretationen deutlich angehört, dass Currentzis sehr nahesteht. Seit 2016 leitet Emelyanychev das italienische Barockensembles Il Pomo d’Oro, und mit diesem hat er jetzt ein nur selten zu hörendes Oratorium von Georg Friedrich Händel aufgenommen: „Theodora“ von 1750. Eine tolle Einspielung – findet SWR2-Kritikerin Susanne Benda.

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Laut Händel sein bestes Oratorium

Lyrische Seelenmusik oder Drama? Tod oder Leben? Maxim Emelyanychev hat, vom Cembalo aus dirigierend, Händels Oratorium „Theodora“ aufgenommen – und haucht dem Stück dabei quirliges Leben ein. Und das, obwohl „Theodora“ eigentlich ein trauriges Stück voller Moll-Töne ist, das vom Konflikt zwischen Römern und Christen handelt und mit dem Märtyrertod der Christin Theodora und ihres römischen Geliebten Didymus endet.

Das englische Publikum fand dieses Thema und zumal diesen Schluss 1750 nicht besonders attraktiv, sodass sich der Erfolg des Stücks in Grenzen hielt. Der Komponist selbst hielt das Oratorium allerdings für sein bestes. Den Chorsatz hat er sogar höher eingeschätzt als die Jubelklänge des „Halleluja“ in seinem Erfolgsstück „Der Messias“.

Stimmung mit Bruch

„He saw the lovely Youth” ist ein Trauergesang, vorgetragen vom Chor der Christen, die fassungslos dem drohenden Tod des jungen Didymus gegenüberstehen und die zögernd, manchmal fast stammelnd versuchen, ihre Gefühle dabei in Worte und Töne zu fassen.

Die Stimmung bleibt aber nicht so, mitten im Chorsatz ist ein Auf-Bruch. Die Sänger erinnern sich an das Wunder Jesu, der einen Toten wieder ins Leben rief, und plötzlich ist Zuversicht im Raum.

Liebe ist stärker als der Tod

Die getragenen Passagen wie auch den Fugenteil am Schluss singt der Chor auf sehr hohem Niveau. Aber Exzellenz erhält die Aufnahme vor allem durch beteiligte Solisten. Mit dabei ist zum Beispiel einer der außergewöhnlichsten Sänger unserer Tage, Michael Spyres, der sich selbst wegen seiner Qualitäten in der Höhe wie in der Tiefe gerne als „Baritenor“ bezeichnen lässt.

Und die Moral von der Geschicht‘? Liegt in einem kleinen Rezitativ: Liebe ist stärker als der Tod, singt Joyce DiDonato, die als Irene ein immens breites Spektrum an stimmlichen Gestaltungsnuancen einbringt, dabei immer nah am Text bleibt und außerdem kunstvoll alle Künstlichkeit vermeidet. Der darauffolgende Schlusschor der Christen gibt ihr Recht – auch wenn er überhaupt nicht nach Jubel klingt.

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Susanne Benda