Musikthema

Martin Wistinghausen bei den Schwetzinger SWR Festspielen

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AUTOR/IN
Regine Müller

Martin Wistinghausen ist eine Doppelbegabung: Der Düsseldorfer Bassist studierte bei Kurt Moll Gesang und danach am Salzburger Mozarteum Komposition bei Adriana Hölszky. Nach wie vor verfolgt er beide Karrieren, singt solistisch, seit langer Zeit im Chor der Bayreuther Festspiele und regelmäßig auch bei Chorwerk Ruhr. Nun hat er erstmals für Chorwerk Ruhr ein Werk komponiert, das bei den Schwetzinger SWR Festspielen uraufgeführt wird.

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Komponist oder Sänger?

Unter dem Titel „Bedrängte Zeit, vergeh!“ hat der Komponist Martin Wistinghausen Texte aus der Zeit des 30-jährigen Kriegs vertont. Noch fehlen die alten Instrumente, die Zinke und Schalmeien, heute geht es bei der ersten Klavierprobe zu den vier Stücken für Chor und Renaissance-Instrumenten um haarige Clusterklänge, die von den teils aufgeteilten Stimmgruppen möglichst sauber zu intonieren sind.

Der Chor probt unter der Leitung seines Chefs Florian Helgath im Gebäude des Bochumer Kunstmuseums. Martin Wistinghausen sitzt dabei und lauscht aufmerksam. Hört er zu als Komponist oder als Sänger?

„Das ist ganz schwierig zu sagen. Ich glaube ich hör‘ als Komponist das an, aber ich hab‘ natürlich auch ein sängerisches Denken und Empfinden dabei, wenn es ein Stück für Chor und Stimmen ist.“

Zeichnung der Bombardierung Prags im 30-jährigen Krieg (Foto: IMAGO, IMAGO / H. Tschanz-Hofmann)
Die Zahl der Toten wird im Dreißigjährigen Krieg auf drei bis neun Millionen geschätzt. Nun wurden Texte des mitteleuropäischens Konflikts von Martin Wistinghausen vertont.

Komposition für Profis

In der Probensituation haben die Stimmen nur karge Unterstützung durch die Klavierbegleitung. Aberwitzige Intervallsprünge, Glissandi und Vierteltonschritte wollen bewältigt werden. Schnell merkt man, dass es sich bei Wistinghausens Komposition um höchst anspruchsvolle Chorliteratur handelt, geeignet nur für schwindelfreie Stimmen.

„Es sind z.B. in diesen Stücken sehr schwere, teilweise auch exponierte Solopassagen, die hab‘ ich auch wirklich im Hinblick darauf komponiert, dass ich weiß, welche Kolleginnen und Kollegen da sitzen und ich mir ziemlich sicher war, die können das bewältigen. Das kann sicher nicht jeder Chor. Und ich hab‘ z.B. auch Stücke für Laienchöre komponiert, auch in meiner Klangsprache, also da mach ich ästhetisch keine Kompromisse, aber in diesem Fall konnte ich natürlich aus dem Vollen schöpfen.“

Martin Wistinghausen verfolgt während der Probe die Partitur, notiert Anmerkungen und wenn Chorleiter Florian Helgath unterbricht, gibt er Hinweise zu Interpretation und diskutiert mit den Ausführenden Details. 

Hilfestellung beim Proben

So wächst diese Neue Musik bei den Proben ständig weiter. Wenn das Stück die Komponistenwerkstatt verlässt, ist es anscheinend noch lange nicht fertig.

Im Idealfall sollte die Partitur ein Proben auch ohne Komponist möglich sein, so Wistinghausen. Aber es komme dennoch vor, das gerade bei ungewöhnlichen Spiel- oder Singweisen eine Erklärung vom Komponisten nötig sei.

Kompositionsunterricht mit 12 Jahren

Martin Wistinghausens Doppelbegabung zeigte sich schon früh. Bereits in der Schulzeit sang er erst im Kinderchor und dann im Knabenchor. Sehr früh regte sich bei ihm aber auch der Drang, etwas Eigenes zu kreieren, sprich zu komponieren.

Deshalb begann er mit zwölf Jahren mit dem Kompositionsunterricht an der Düsseldorfer Musikschule. Zeitgleich kam er sehr früh in den Stimmbruch und fing mit 13 Jahren an, Gesangsunterricht zu nehmen. Den ersten viel beachteten Erfolg hatte er dann tatsächlich als Sänger.

Kreative Pausen in Bayreuth

Martin Wistinghausen ist viel beschäftigt, er komponiert, singt als Bassist solistisch gerne Uraufführungen, aber auch Alte Musik. Außerdem singt er bei Chorwerk Ruhr – wenn nicht gerade eine eigene Komposition auf den Pulten steht. Und jedes Jahr verbringt er die Sommerwochen in Bayreuth und singt dort im Festspielchor. Welcher Beruf hat Priorität für ihn?

„Ich sag immer gern, ich bin singender Komponist und komponierender Sänger. Im beruflichen musikalischen Alltag erfordert das manchmal sehr viel Disziplin, also, ich muss z.B. immer meine Stimme pflegen, auch wenn ich gerade ein großes Stück komponiere, muss ich mir jeden Tag auch die Zeit nehmen, das is ein bisschen, wie beim Sportler, sag ich immer, der auch ne Muskulatur am Laufen halten muss. Beim Komponieren ist es eher so, dass man sich mal ne Auszeit gönnt. Da hat mein ein großes Stück fertig und hat jetzt vielleicht gerade keinen neuen Auftrag, und dann tut so ne kreative Pause auch mal ganz gut. Aber beim Sänger ist es eher sportlich.“

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Regine Müller