Neue Dokumentation über Maria Callas auf DVD

Legendäre „Tosca“

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AUTOR/IN
Eva Hofem

DVD-Tipp vom 7.6.2018

Wenn es eine Operndiva gibt, die über die Grenzen ihres Genres hinaus bekannt ist, dann ist das wohl Maria Callas, die ewige Diva schlechthin. Im Jahr 1964 hatte sie eine steile Opernkarriere hinter sich und gleich mehrere skandalöse Schlagzeilen vor sich. Quasi dazwischen hatte sie nach zwei Jahren Bühnenabstinenz mit 41 Jahren noch einmal die Tosca gespielt, eine ihrer letzten Opernrollen. Und das an keinem geringeren Haus als der königlichen Oper in London. Von ihren Fans wurde dieses Comeback herbeigesehnt, ein britischer Fernsehsender hatte den zweiten Akt sogar live mitgeschnitten. Durchaus eine Besonderheit in den 60er Jahren. Genau diese historische Aufnahme ist Teil der neuen Callas-DVD.

Eingefleischten Callas-Fans kann man allerdings nichts vormachen. Dieser Video-Mitschnitt wurde schon mehrfach vorher veröffentlicht. Es ist eine der wenigen Bildaufnahmen von Maria Callas auf der Opernbühne. Eine Hintergrund-Dokumentation beleuchtet dabei diesen legendären Auftritt aus der heutigen Perspektive. Denn, dass die Callas noch einmal als Tosca auftrat und dann noch unter der Leitung von Starregisseur Franco Zeffirelli, das kam 1964 einem Rock-Konzert gleich. Ein Zeitzeuge berichtet:

Ja, man kann auch heute noch verstehen, warum diese Tosca damals so gefeiert wurde. Maria Callas spielt und singt im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod, mit ihrem nicht weniger bekannten Bühnenpartner Tito Gobbi. Der war übrigens laut Dokumentation lebenslang ihr bester Freund. Das merkt man den beiden auch auf der Bühne an. Knapp 50 Minuten dauert der Hintergrundbericht über Puccinis Tosca in Covent Garden. Es wird kommentiert, geschwärmt und spekuliert. Bühnenausschnitte wechseln ab mit eher oberflächlichen Aussagen über die Stimmprobleme, die Liebhaber, das Alter und das Gewicht der ‚primadonna assoluta‘. Auch Sängerin Anna Prohaska lässt sich zu einem Kommentar darüber hinreißen:

Solche Themen wirken im Angesicht der unglaublichen Leistung als Tosca irgendwie fehl am Platz. Ebenso wie manche Interviewpartner in dieser Dokumentation. Zugegeben, musikalische Größen wie Antonio Pappano oder Thomas Hampson sind mit dabei, auch Rolando Villazon. Alles Vertreter der klassischen Musik. Alle haben nachvollziehbar einen Bezug zur Callas; soweit ist die Auswahl ja noch klar. Und wenn Jürgen Kesting als Musikjournalist die medialen Hintergründe erläutert, verschafft das der DVD einen Mehrwert, der nicht überall erzielt wird. Denn was genau hat Modeschöpfer Wolfgang Joop mit Maria Callas zu tun?

Na gut, da wird es dann boulevardesk. Und das hört auch bei Spekulationen über die Zusammenhänge zwischen Stimmproblemen und der enttäuschten Liebe zum Milliardär Onassis nicht auf. Gezeigt werden zudem Fotografien aus jener Zeit, als über Maria Callas mehr in der Klatschpresse als auf Opernplakaten zu lesen war.

Alles in allem ist die Dokumentation ein nett gemachter Hintergrundbericht über diese letzte Rolle der großen Sängerin. Keine Fundgrube für Fans, aber ein Einstieg für solche, die es werden wollen. Denn die Quintessenz der Dokumentation, dass Callas unbestritten eine der stilprägendsten Sängerinnen des 20. Jahrhunderts war, ist allen, die es bisher noch nicht wussten, spätestens nach den ersten Minuten klar. Was sich bei dieser DVD wirklich lohnt, ist allerdings der Mitschnitt des 2. Aktes. Der ist packender und emotionaler als alle Klatsch-Geschichten über den Aufstieg und Fall einer großen Darstellerin und Sängerin.

Am besten schaut man also erst die Oper an und dann die Dokumentation. Die ist übrigens in Zusammenarbeit mit ARTE entstanden. Das erklärt auch die Spielfilmlänge von 90 Minuten, wenn man beides zusammen anschaut. Der Mitschnitt von 1964 ist jedenfalls trotz seines Alters und der entsprechend schlechten Tonqualität ein ergreifender Beweis dafür, wie berührend eine gut gemachte Opernvorstellung sein kann. Und das auch noch in schwarz-weiß. Dazu passt auch Antonio Pappanos feurige Liebeserklärung an diese Tosca. Vor allem aber an die Kraft des Theaters selbst.

DVD-Tipp vom 07.06.2018 aus der Sendung SWR2 Cluster

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Eva Hofem