Luthers Einfluss auf die Kirchenmusik

Für fortgeschrittene Leser

Stand
AUTOR/IN
Almut Ochsmann

Buchkritik vom 9.11.2016

Man hat manchmal das Gefühl, dass die meisten Menschen mit dem 31. Oktober vor allem das aus Amerika zu uns gekommene Halloween-Fest assoziieren. Das war noch vor einigen Jahren anders: Da war das in erster Linie der Reformationstag. 2017 soll das anders werden: Vor genau 500 Jahren hat dann Martin Luther in Wittenberg seine 95 Thesen an die Türe der Schlosskirche angeschlagen. Schon jetzt, ein Jahr vor dem eigentlichen Reformations-Jubiläum, gibt es Ausstellungen, CD- und Buchveröffentlichungen sowie andere Aktionen zum Gedenken an Martin Luther. Eine davon ist das Buch „Musik im Namen Luthers“ von Konrad Küster.

Wenn man zu dicht an einem Mosaik steht, ist das Gesamtbild nicht mehr zu erkennen. Es gibt unzählige Mosaiksteinchen Luthers in der Musikgeschichte. Autor Konrad Küster hat sehr viele einzelne von ihnen sehr nah betrachtet. Und er begründet seine Methode:

Konrad Küster ist bekannt als Herausgeber des 1999 erschienenen Bach-Handbuchs. Mit seinem Luther-Buch sucht er einen „modernen Zugang zur Tradition lutherischer Kirchenmusik“, und zwar überkonfessionell und wissenschaftlich fundiert. Küster fragt, was lutherische Musik eigentlich sein soll, und ob es sie überhaupt je gegeben habe. Er zieht es schließlich vor, von „Musik im Namen Luthers“ zu sprechen. Zu Beginn geht es um die Rolle der Kirchenmusik in der Liturgie Luthers. Ein Gemeindelied – wie es heute oft mit Luther assoziiert wird, sei in seiner Liturgie gar nicht vorgesehen gewesen, noch weniger die oft als „weltlich“ verpönte Instrumentalmusik. Das Buch zeichnet detailliert nach, wie die Orgeln zur kirchenmusikalischen Spezialität des Luthertums werden konnten. Es ging dabei auch um sinnliche Reize zur Unterhaltung der Gemeinde:

Konrad Küster ist Spezialist für norddeutsche Orgelmusik – zuletzt hat er einen Ausstellungsführer über Orgeln an der Nordsee geschrieben. Küster kennt die Geschichte unzähliger Kirchen, ihrer Orgeln und Organisten bis hin nach Dänemark. Für Ortsunkundige sind die sehr dicht gestreuten Ortsnamen hin und wieder anstrengend – innerhalb eines kleinen Abschnitts liest man von Butjadingen, Burhave, Blexen und Bleckede. Angesichts des oft äußerst kleinteiligen Wissens ist man froh, wenn es einen Abschnitt lang nur um genau ein Musikstück geht, um seinen Sinn, seine Anlage und seine Wirkung: Zum Beispiel eine Motette von Heinrich Schütz: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“.

Die fundierte Schütz-Expertise des Autors ist ein Pluspunkt für das Buch. Spannend ist es vor allem dann, wenn es um konkrete Geschichten oder historische Momente geht: Zum Beispiel beschreibt Küster die Schwierigkeiten des frühen Notendrucks sehr eindrücklich. Aber eben auch einzelne Szenen aus dem Leben des Komponisten Heinrich Schütz erzählt er auf der Grundlage historischer Quellen in erfrischendem Tonfall. Schütz war der Sohn eines Gastwirts:

Konrad Küsters Buch ist in zehn Kapitel eingeteilt: Neun der Kapitel behandeln die Zeit von 1500 bis 1750, das anschließende Vierteljahrtausend bis zur Gegenwart wird in einem einzigen Kapitel – also ziemlich schnell – abgehandelt. Der Autor beeindruckt zwar mit einer schier unglaublichen Fülle an Details, Namen, Orten und Jahreszahlen. Doch gerade das macht die Lektüre beschwerlich. Trotz der Bemühungen, immer wieder anschaulich zu schreiben, ist dies ein Buch für fortgeschrittene Leser. Das ist schade, zumal der Verlag damit wirbt, Lesestoff fürs breite Publikum zu veröffentlichen. Als erste Einstimmung auf das musikalische Luther-Jahr eignet sich das Buch nur bedingt.

Buchkritik vom 09.11.2016 aus der Sendung „SWR2 Cluster“

Stand
AUTOR/IN
Almut Ochsmann