Neues Buch zum 200. Geburtstag

Jacques Offenbach – Meister des Vergnügens

Stand
AUTOR/IN
Dieter David Scholz

Buch-Tipp vom 02.01.2019

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Klischees und Legenden

Der sogenannte Cancan aus der Opéra bouffon „Orphee aux Enfers“ hat ebenso wenig mit Offenbach zu tun wie die Barkarole aus der Oper „Hoffmanns Erzählungen mit heimeliger Venedig-Kulisse. Nichts als Klischees und Legenden. Mit einigen von ihnen räumt Heiko Schon ungeniert und sprachlich salopp auf:

Der "French Cancan"

Tatsächlich hat Offenbach niemals die frivolen, Beine schwingenden und Unterwäsche zeigenden Damen in seinen Werken auftreten lassen. Der sogenannte „French Cancan“ ist eine kommerzielle Tanzmode einschlägiger Nachtlokale, für die man Jahre nach Offenbachs Tod seine Musik okkupierte. In Schons Kapitel „Jacques Offenbach und der Wahnsinn der Beine“ liest man Wesentliches über den für Offenbach und seine Zeit wohl wichtigsten Tanz:

Verbindung von Tanz und Gesang

Schon Paul Bekker hat in seiner Offenbachstudie von 1909 betont:

Heiko Schon weiß das, denn er kennt erstaunlich viele Offenbach-Stücke. Mehr als einhundert stellt er vor in seinem Buch, immer nach der gleichen Methode: Worum geht es, was steckt dahinter, welches sind die stärksten Nummern, und am Ende jeder kurzen und bündigen Werkdarstellung gibt er unter der Rubrik „Zum Reinhören“ dazu passende CD- oder DVD-Tipps. Das sind naturgemäß subjektive Empfehlungen, über die man sich streiten kann. Eingebettet sind die Werkbeschreibungen in 16 thematisch, nicht etwa chronologisch orientierten Kapiteln, in denen es um das Cello geht, dem Offenbach bekanntermaßen sehr zugetan war, um Spuren am Rhein, um die Frauen, um die Travestie oder um rasselnde Säbel, um nur einige Themen zu nennen.

Im Kapitel „Jacques Offenbach und die singende, klingende Synagoge“, womit er auf die Herkunft Offenbachs aus der jüdischen Musiktradition seines Vaters anspielt, charakterisiert Schon unter anderem die Chinoiserie musicale „BaTaClan“. Sie war Namensgeber für das Pariser Vergnügungsetablissement mit Konzertsaal, welches 2015 durch einen Terroranschlag weltweit traurige Berühmtheit erlangte:

Schmerzfreies Vergnügen gab es bei Offenbach nie

Heiko Schon postuliert Offenbach zwar im Untertitel seines Buches als „Meister des Vergnügens“, aber er verschweigt nicht die politisch subversive, gesellschafts- und autoritätskritische Stoßrichtung der Werke des Kölner Kantorensohns, der im Paris des Zweiten Kaiserreichs zum Maitre de Plaisir, aber auch zum Eulensiegel reüssierte, der seiner Zeit mit Spott, Karikatur, Parodie und Satire einen Spiegel vorhielt. Schmerzfreies Vergnügen gab es bei Offenbach nie, es war immer provokativ und wollte aufrütteln. Das Buch von Heiko Schon ist leicht lesbar und mit flotter Feder geschrieben, kommt ganz und gar unakademisch oder belehrend daher und ist als erster Einstieg ins Thema Offenbach allen Offenbachianern oder solchen, die es werden wollen, nur wärmstens zu empfehlen. Es könnte neugierig machen auf mehr!

Buch-Tipp vom 2.1.2019 aus der Sendung SWR2 Treffpunkt Klassik

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Dieter David Scholz