Porträt

Indische klassische Musik gemixt mit Jazz: Der Saxophonist Oded Tzur

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AUTOR/IN
Hannah Schmidt
ONLINEFASSUNG
Dominic Konrad

Der Saxophonist Oded Tzur kombiniert in seinen Stücken Elemente indischer klassischer Musik mit Jazz. Gerade hat er sein neues Album „Isabela“ herausgebracht und spielt am 29.03. in der Alten Feuerwache in Mannheim. Hannah Schmidt über einen außergewöhnlichen Musiker.

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Frühe Liebe zum Saxophon: „Es klingt wunderschön, es sieht wunderschön aus.“

„Jemand steht auf der Bühne und erzeugt einen Schall. Diese Schallwelle wandert zu deinen Ohren und lässt dich etwas fühlen. Wie kann das überhaupt passieren? Dafür gibt es keine wissenschaftliche Erklärung. Ich bin Musiker – und ich verstehe es auch nicht.“

Oded Tzur wird 1984 in Tel Aviv in eine Lehrerfamilie geboten. Zwar lebt ihm niemand das Musikerleben vor, doch er hat schon früh die Möglichkeit, verschiedene Instrumente auszuprobieren und sich mit ihrem Klang auseinanderzusetzen.

„Irgendwann habe ich Klarinette gespielt und habe es gehasst. Ich glaube, ich klang auf der Klarinette einfach schrecklich, und ich mochte es nicht“, erinnert sich der israelische Musiker.

Er habe also seine Mutter angefleht, ihm stattdessen das Saxophon zu geben. „Es klingt wunderschön, es sieht wunderschön aus. Und schon bald entdeckte ich Leute wie Charlie Parker, John Coltrane und Dexter Gordon. Zu hören, wie sie dieses Instrument spielen, ist einfach so magisch und so inspirierend. Das bedeutete wirklich etwas für mich.“

Das Oded Tzur Quartet beim Konzert im Bimhuis Amsterdam

Musik als „vielleicht die einzige Form der kollektiven Meditation“

Beim Gespräch im März sitzt Oded Tzur in seiner Küche: Alles ist beige eingerichtet, an der Wand hängt nur ein kleines quadratisches Bild, sonst nichts. Er trägt ein schwarzes Hemd und hat ein gemustertes Tuch um die Schultern gelegt. Dafür, dass er in einer Stunde zum Flughafen muss, wirkt er erstaunlich entspannt – Europa erwartet ihn.

Es sei interessant, dass man sich selbst jedes Mal anders fühle, wenn man dieselbe Musik vor unterschiedlichem Publikum spielt, meint Tzur: „Das ist es, was meiner Meinung nach so einzigartig an Musik ist. Sie ist vielleicht die einzige Form der kollektiven Meditation oder des kollektiven Spiels, bei der eine Person etwas empfindet und alle anderen im Raum irgendwie auch etwas empfinden, was dieser Sache nahe kommt. Und das ist magisch.“

Auseinandersetzung mit indischer Musik: „Ein Raga ist für mich wie eine Person.”

In seiner Musik kombiniert Oded Tzur den Jazz, zu dem Coltrane und andere ihn inspirierten, mit Raga – einer musikalischen Grundstruktur aus der klassischen indischen Musik. Sie ähnelt verschiedenen Skalen, ähnlich wie den Kirchentonarten.

Sie schreibt sozusagen vor, welche Töne zu welchem Stück passen. Oded Tzur hat eine umfassendere Definition: „Ein Raga ist für mich wie eine Person. Manche Musiker würden sagen, wie ein Gott oder eine Göttin, die man zum Leben erweckt, wenn man dieses Stück Musik spielt. Es ist also keine eine Tonleiter. Es ist keine Melodie. Es ist etwas, das größer ist als all das.”

Der beste Weg, um Raga zu verstehen, ist es, an den Blues zu denken findet Tzur. Denn der Blues sei eigentlich ein afroamerikanischer Raga: eindeutig, völlig unverwechselbar und auch unendlich, genau wie ein Mensch. „Es könnte Hundert Millionen Melodien im Blues geben. Sie haben alle den Blues, aber sie sind alle anders”, sagt der Musiker.

Das neue Album: eine Liebeserklärung an seine Frau Isabela

Auf seinem aktuellen Album „Isabela“ versucht Oded Tzur gewissermaßen einen eigenen Raga zu erfinden – inspiriert wurde er dabei von einem Regenzeit-Raga.

„Ragas haben Tageszeiten und manchmal auch Jahreszeiten, mit denen sie verbunden sind“, erklärt der Saxophonist. „Hier hat mich ein Regenzeit-Raga inspiriert, und das liegt zum Teil daran, dass Isabela, meine Frau, aus Brasilien kommt, einem der regenreichsten Orte der Welt.“

„Isabela“, das erzählt Oded Tzur, ist sein Versuch, musikalisch einen Menschen zu porträtieren – und eine Liebeserklärung an seine Frau. „Musikalische Porträts sind natürlich eine komplizierte Sache, denke ich, denn wenn man ein Porträt in der bildenden Kunst macht, kann man sich entscheiden, konkret und beschreibend zu sein. Und man kann sich entscheiden, abstrakt zu sein, wenn man will. Aber Musik ist von Natur aus abstrakt.

Er habe sich die Frage gestellt, wie man jemanden wirklich in Noten beschreiben könne. Herausgekommen sei das schönste Projekt, er ich je gemacht habe. „‚Isabela‘ ist mein absolutes Lieblingsalbum”, schwärmt der Musiker. „Und zum Glück mag meine Frau es auch.”

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