Neues Beethoven-Buch

Fantastisch geschrieben und für jedermann gut lesbar

Stand
AUTOR/IN
Dieter David Scholz

Buchkritik vom 25.10.2017

Noch ein Buch über Beethoven? Ist das nötig? Um die Frage gleich zu beantworten: nein. Aber Martin Gecks Buch ist dennoch eine Bereicherung der Beethoven-Literatur! Geck ist Professor der Musikwissenschaft und einer der besten Kenner des Komponisten. Er hat Beethoven bereits zwei Bücher gewidmet, eines über dessen Sinfonien und eine Rowohlt Monografie. Sein neuestes und umfangreichstes Werk ist, anders als alle anderen Beethoven-Bücher, keine detailverliebte, faktenreiche Lebensbeschreibung, keine Sammlung eingehender Werkanalysen und auch keine Darstellung der Rezeptions- und Wirkungsgeschichte. Geck ist klug genug, sich selbst zu fragen: „Wer schreibt noch solche, ‚erschöpf­enden‘ Bücher? – Und wer liest sie?“ Martin Geck hat sein Buch nicht etwa in biografische, sondern in zwölf thematische Kapitel untergliedert. Sie sind mit Begriffen wie Titanismus, Festigkeit, Natur, Fantastik, Transzendenz, Utopien, Komponisten im Schatten Beethovens und Beethoven en France überschrieben:

Mit einer Reise zu Musikern, Schriftstellern, Philosophen und Malern, zu Persönlichkeiten, die auf Beethoven großen Einfluss hatten oder von ihm infiziert und inspiriert wurden, umkreist Geck den Komponisten und beleuchtet ihn aus unterschiedlichsten Perspektiven. Berühmte Persönlichkeiten wie Napoleon Bonaparte, William Shakespeare, Igor Strawinsky, Thomas Mann oder Jean-Jacques Rousseau finden sich in Gecks Buch ebenso wie solche, die man kaum mit Beethoven in Verbindung bringen würde, beispielsweise den Maler Tintoretto. Geck erläutert anhand von dessen Bild „El Paraíso“ mit Christus und Maria inmitten diverser Kirchenväter und Heiligen Beethovens sechste Sinfonie, die sogenannte „Pastorale“:

Neben vielen bekannten Namen wie Richard Wagner, Leonard Bernstein, Wilhelm Furtwängler, Glenn Gould, Theodor W. Adorno, Friedrich Hölderlin oder Jean Paul begegnen einem in Gecks Buch aber auch weithin unbekannte: Aldous Huxley etwa oder der 1995 verstorbene französische Philosoph Gilles Deleuze. Seine Äußerungen über den zweiten Satz von Beethovens „Geistertrio“ hält Martin Geck für geradezu beispielhaft:

Martin Geck ist mit seinem jüngsten, fantastisch geschriebenen und für jedermann gut lesbaren Beethoven-Buch wieder einmal seinem Prinzip treu geblieben, jeder seiner Komponisten-Monografien ein unverwechselbares Profil zu geben. Er hat nicht als Fachmann ex cathedra über Beethoven geschrieben, auch wenn er gelegentlich mit Notenbeispielen angereicherte kluge Musikanalysen einstreut, sondern als „ein Sänger im Chor der vielen Stimmen, die sich originell zu Beethoven geäußert haben oder bis in unser Jahrhundert hinein durch ihr eigenes künstlerisches Werk Licht auf das seine zu werfen vermögen“. Ein großes Buch eines großen Musikwissenschaftlers.

Buchkritik vom 25.10.2017 aus der Sendung „SWR2 Cluster“

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Dieter David Scholz