Mikrofon im Großen Sendesaal, Berlin. (Foto: Hans Ackermann)

100 Jahre Radio

Funkkonzerte – 100 Jahre Musik für das Radio

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Hans Ackermann
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Sebastian Kiefl

Schon kurz nach der ersten Rundfunkübertragung im Oktober 1923 haben Komponisten begonnen, Musik für das neue Medium zu schreiben. Werke wie Paul Hindemiths "Sabinchen - ein musikalisches Funkspiel" oder die "Radio-Ouvertüre für Männerquartett, Rezitation und Orchester op. 11" von Pavel Haas, Kompositionen, die jetzt auch wieder auf dem Programm der "Funkkonzerte" stehen. Ein Format, das die Tradition des lebendigen Radios wiederbelebt, in einer aufregenden Mischung aus Livemusik und Gesprächskonzert.

29. Oktober 1923: Geburtsstunde des Funkkonzerts

Die Geschichte des Funkkonzerts beginnt am 29. Oktober 1923. Im Berliner VOX-Haus spielt der Cellist Otto Urack ein Andantino von Fritz Kreisler. „Das erste Jahrzehnt der Weimarer Republik, diese Jugendzeit des Rundfunks, war auch die ergiebigste Zeit für die Musik im Radio“ erklärt Steffen Georgi, Dramaturg des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin.

Das RSB nimmt noch heute Funkkonzerte auf, live oder zeitversetzt und mit Publikum. Mit dabei sind zwei Tonmeister, Henri Thaon und Michael Havenstein. Sie haben aus dem Aufnahmestudio „T1“ freie Sicht auf das Orchester und den Dirigenten Ernst Theis. Einer regelt während des Konzertes die rund 40 Mikrofone am Mischpult, der andere gibt Anweisungen während er in der Partitur mitliest.

Tonmeister beim Lesen einer Musikpartitur. (Foto: Hans Ackermann)
Arbeitsteilung bei den Funkkonzerten: Jeweils ein Tonmeister regelt am Mischpult, der zweite Tonmeister gibt Vorwarnung, wenn es laut oder leise wird, oder ein besonderes Instrument erklingt.

Funkspiel und Radio-Ouvertüre

Insgesamt vier Werke hat Ernst Theis für sein Funkkonzert am nächsten Abend ausgesucht. Musik, die in der Anfangszeit des Radios speziell für das neue Medium komponiert wurde.

Neben der „Bunte Suite“ von Ernst Toch, die1929 im Rundfunk uraufgeführt wurde, noch Hindemiths Funkspiel „Sabinchen“, die „Tänzerische Suite“ von Eduard Künneke und die „Radio-Ouvertüre“ des tschechischen Komponisten Pavel Haas.

Höhepunkt in der Weimarer Republik

Die „Golden Zwanziger Jahre“ des frühen Rundfunks, mit musikalischen Hörspielen und Livekonzerten aus den Sendesälen hält auch der Berliner Musikwissenschaftler Steffen Georgi für besonders bedeutsam:  

 „Das erste Jahrzehnt in der Weimarer Republik war die Pionierzeit, die Aufbruchsstimmung schlechthin. 1923 bis 1933 ist eigentlich die ergiebigste Zeit für den Rundfunk gewesen.“

Blick auf Mischpult und die Glasscheibe im Großen Sendesaal, Berlin. (Foto: Hans Ackermann)
Knapp 40 Regler für die Mikrofone müssen im richtigen Moment geöffnet werden, damit auch die richtigen Töne im Radio erklingen.

„Durchhaltemusik“ im Nationalsozialismus

Der Bruch kam mit den Nationalsozialisten. So durfte z. B. Paul Hindemith nicht mehr gespielt werden, von Joseph Goebbels wurde er als „atonaler Geräuschemacher“ diffamiert. Auch die Musik Kurt Weills verschwand aus dem Sendesaal, obwohl er und Bertolt Brecht in den späten 20ern ihre "Dreigroschenoper" extra in eine Radiofassung umgearbeitet haben.

Frank Strobel brachte sie im Mai 2023 fast 100 Jahre später im Großen Sendesaal in der Masurenallee zur Aufführung. Der Raum bringt eigene Besonderheit mit sich erklärt der Dirigent: „Man singt es anders, man hat eine andere Herangehensweise schon durch die Räumlichkeit." Bei Funkkonzerten spielt man für zwei Publika, das birgt eigene Herausforderungen.

„Ob in Hannover, in Köln, oder hier im Funkhaus  in Berlin – man arbeitet anders und  adressiert immer das Publikum am Radio. Es ist nicht so, dass man das Publikum ausblendet, ganz im Gegenteil. Ich habe immer auch dieses Radiopublikum vor Augen.“

Rundfunkorchester in der Diskussion

Die Regionalität spielt eine besondere Rolle bei den Funkkonzerten. Die Klangkörper der Rundfunk-Anstalten sind in ihrem jeweiligen „Sendegebiet“ ein unverzichtbarer Bestandteil der regionalen Musikkultur, sagt Vladimir Jurowski, Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin.

Blick vom Hängeboden in den Großen Sendesaal, Berlin. (Foto: Hans Ackermann)
Der große Sendesaal ist das Herzstück des „Haus des Rundfunks“ in Berlin und zählt mit 1063 Sitzplätzen zu den größten seiner Art in Europa. Seit 1931 werden hier Konzerte aufgezeichnet, damit ist es das ältesteste Radiostudio.

Wir dürfen uns nicht in ein „Elfenbein-Rundfunktürmchen“ zurückziehen. Wir müssen so agieren, wie es die Stadt und wie es die Gesellschaft von uns verlangt.“

Obwohl die Rundfunkorchester und Rundfunkchöre einen wichtigen Beitrag zur Musikkultur liefern, sind ihre "Betriebskosten" immer wieder Gegenstand von Spardiskussionen. Dabei liegen diese Kosten, grob geschätzt, bei lediglich 2 Prozent des Rundfunkbeitrags.

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Hans Ackermann
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Sebastian Kiefl