Musikmarkt: Album-Tipp

Engelbert Humperdinck - Der blaue Vogel

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AUTOR/IN
Christoph Vratz

Am 23. Dezember 1912 findet am Deutschen Theater in Berlin eine Premiere des berühmten Regisseurs Max Reinhardt statt. Dabei handelt es sich um Maurice Maeterlincks symbolistisches Märchendrama „Der Blaue Vogel“. Die Musik zu dieser am Heiligabend einsetzenden Handlung stammt von Engelbert Humperdinck. Doch wegen eines Urheberrecht-Streits blieb die Partitur ungedruckt liegen. Jetzt hat sie der Dirigent Steffen Tast ausgegraben und mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin eingespielt.

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Suche nach dem „Blauen Vogel“

Es ist kein glücklicher Heiligabend, die Holzfäller-Familie hat kein Geld, Schmalhans Küchenmeister hat keinen Festtagsbraten im Angebot. Als die Kinder die Fenster öffnen, hören sie aus der benachbarten Villa einen vertrauten Weihnachtsgesang.

Eine Zauberfee erscheint und bittet die Kinder Mytyl und Tyltyl, den geheimnisvollen „Blauen Vogel“ zu suchen. Denn nur dieser Vogel kann die Traurigkeit ihres eigenen Kindes kurieren, behauptet die Fee, die irgendwie aussieht wie die reiche Nachbarin von gegenüber.

Magische Heilung

Es beginnt eine Reise ins Reich der Fantasie. Eine wundersame Kappe ermöglicht den Kindern Tiere, Pflanzen und Gegenstände zum Leben zu erwecken und deren Sprache zu sprechen.

Ein Abenteuer folgt auf das nächste. Doch den Blauen Vogel können sie nirgends finden. Natürlich verlangt eine solche weihnachtliche Geschichte nach einem Happyend: Mytyl und Tyltyl erwachen schließlich aus ihren Träumen und müssen feststellen, dass ihre Turteltaube im Käfig eine blaue Farbe angenommen hat. Der Vogel bringt der Nachbarstochter die gewünschte Heilung und fliegt anschließend davon.

Märchen oder Philosophie

Engelbert Humperdinck war nie ein Revolutionär, eher ein Visionär, der viel vom Kreis der Wagnerianer in Bayreuth gelernt und als Antwort auf Wagners Opern-Ästhetik vor allem Märchenopern komponiert hat. Auch wenn „Der blaue Vogel“ keine Oper ist, so passt diese Bühnenmusik doch in sein Werk-Schema.

Humperdinck wählt mit Maurice Maeterlincks Dramenvorlage einen Stoff, über den ein Kritiker 1911 treffend schrieb: „Für Kinder ist Maeterlincks Traum ein Märchen, für Erwachsene eine Philosophie.“

Umgeschrieben für Konzert und CD

Für eine Berliner Konzertaufführung und eine CD-Produktion haben der Schauspieler Juri Tetzlaff und Dirigent Steffen Tast eine eigene Textfassung eingerichtet, die aus der Dramenvorlage mit mehreren Schauspielern eine durcherzählte Geschichte für einen Sprecher macht.

Das erleichtert nicht nur das Nachhören – sondern formt dank der subtilen Verzahnung von Text und Musik eine eigene Art von Fantasy-Hörspiel.

Leuchtender Klangteppich und ausbalancierte Lesart

Juri Tetzlaff trägt den Text emphatisch vor, doch ohne Übertreibungen, empfindsam, aber nicht seicht. Dirigent Steffen Tast und das Radio-Sinfonieorchester Berlin unterbreiten dem Erzähler einen fein gewebten, vielfarbig leuchtenden Klangteppich.

Steffen Tast hat die Partitur, die er, nach eigenem Bekunden, in einer namentlich nicht genannten Partitur aufgestöbert hat, genau studiert und liefert eine wunderbar ausbalancierte Lesart. Dass Humperdinck die Anfänge des Kinos miterlebt hat, hört man dieser Aufnahme sehr wohl an, denn an einigen Stellen hat der „Blaue Vogel“ etwas von Filmmusik.

Album mit Weihnachts-Aroma

Als Ergänzung liefert die vorliegende Produktion das reine musikalische Extrakt – ohne Erzähler – in Form von „Sieben symphonischen Bilder“. Hier vereinen das Radio-Sinfonieorchester Berlin und Steffen Tast nochmals alle Vorzüge dieser Einspielung, vor allem die Fähigkeit, musikalisch abwechslungsreiche Stimmungen zu erzeugen, mal düster drohend, mal versöhnlich, auf jedenfalls mal märchenhaft bunt und mit viel Weihnachts-Aroma.

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Zu Advent und Weihnachten gibt es von SWR2 die Begleitung: Ideen für letzte Weihnachtsgeschenke, Weihnachtskonzerte und andere weihnachtliche Musik aus Klassik, Jazz und Pop zum Genießen, Weihnachtsbräuche, Lesetipps, Hörspiele und die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel.

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Christoph Vratz