Musikthema

Eine Entdeckung: „Der Tod Jesu“ von Georg Anton Kreusser wird in Mainz aufgeführt

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Eva Pobeschin
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Sebastian Kiefl

Es passiert nicht oft im Leben eines Musikwissenschaftlers, dass ein unbekanntes Werk in einem staubigen Archiv auftaucht, das seit Jahrhunderten kein Tageslicht gesehen hat. So ähnlich ist es dem Mainzer Musikwissenschaftler Klaus Pietschmann ergangen. Er hat das Passionsoratorium „Der Tod Jesu“ von Georg Anton Kreusser aus dem 18. Jahrhundert entdeckt, das nach langer Archiv- und Notenarbeit am 26. März im Mainzer Dom aufgeführt wird.

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200 Jahre Spielpause

Beim Beginn des Oratoriums denkt man zunächst an eine Oper von Wolfgang Amadeus Mozart oder Christoph Willibald Gluck. Es klingt zumindest nach keiner Passionsmusik. Doch Georg Anton Kreuss, der das Oratorium „Der Tod Jesu“ 1783 komponiert hat, komponierte in voller Absicht ein Oratorium, dass sich von denen seiner Zeitgenossen unterscheidet.

Wer Kreusser nicht kennt, dem sei verziehen, denn noch nicht mal Wissenschaft oder Archive wissen viel über ihn. Seit 200 Jahren hat dieses Werk niemand mehr gehört, geschweige denn aufgenommen.

Schwierige Quellenlage

Klaus Pietschmann, Professor für Musikwissenschaft der Universität Mainz, hat sich dem Schicksal des vergessenen Oratoriums angenommen, hierbei arbeitet er mit sehr wenigen schriftlichen Materialien – denn die meisten Quellen des Mainzer Hofarchives sind den zahlreichen Kriegen zum Opfer gefallen.

„Was wir wissen, ist, dass das Oratorium dann 1784 erstmals im Rahmen der Mainzer Liebhaberkonzerte aufgeführt wurde. Liebhaber deswegen, weil natürlich Musikliebhaber hingegangen sind, aber auch, weil Liebhaber selber musiziert haben.“

Professionelle Berufsmusiker teilten sich schon damals die Bühne mit Laienmusikern. Doch das beschränkt sich nicht nur auf das Orchester dieser Oratorien-Aufführungen. Auch der Chor bestand aus Amateursängern, so Klaus Pietschmann.

Theorie in Praxis umgesetzt

Um seine Forschung tatsächlich einem breiten Publikum vorzustellen, braucht es jedoch mehr als wissenschaftliches Know-how. Denn auch die Musikwissenschaft lebt nun mal von der Aufführung ihrer erforschten Werke.

Daher studiert Domkapellmeister Karsten Storck Kreussers neuentdecktes Oratorium im engen Dialog mit Klaus Pietschmann mit der Domkantorei St. Martin ein.

„Ich glaube, dass dieses Werk eine unglaubliche Strahlkraft hat, auch für Laienensembles und semiprofessionell arbeitende Chöre. Denn es hat alles, was ein großes Oratorium braucht. Aber die Chöre an sich sind längst nicht so ausladend wie bei den Bachschen Passionen, haben eine gewisse Strahlkraft, haben eine gewisse Kürze. Auch eine gewisse Prägnanz, sind handwerklich sauber gemacht.“

Mehr Oper als Passion

Wie so viele Komponisten wurde Kreusser inspiriert von einem bekannten Kollegen. Carl Heinrich Graun gehörte zur kompositorischen High Society des 18. Jahrhunderts. Er schreibt 30 Jahre vor Kreusser sein sehr erfolgreiches Oratorium auf den gleichen Text, „Der Tod Jesu“ von Karl Wilhelm Ramler. Ein zeitgenössischer, für uns heute nicht immer nachvollziehbarer, teils grotesker Passionstext.

Kreusser wollte diesen Text auf Biegen und Brechen anders vertonen als sein bekannter Kollege: Hämmernde, schrille Oktaven mischen sich mit Melodien, die eher an Opernarien und dicke Theatervorhänge erinnern als an einen sterbenden Erlöser am Kreuz.

„Durch den Notendruck bei Schott [hat er] dafür gesorgt, dass das Werk doch große Verbreitung gefunden hat und auch relativ häufig nachgespielt worden ist. Auch in Oldenburg, in Neuburg an der Donau, in Erlangen, in Regensburg und sogar in München.“

Musikwissenschaft und Musikpraxis Hand in Hand

Der Notendruck ist die wichtigste Quelle, er hat das Projekt überhaupt erst ermöglicht. Die Kosten werden von der Dr. Uwe Bauer-Stiftung getragen, die Stiftung macht es sich zur Aufgabe, vergessene Werke der Mittelrheinischen Musikgeschichte wieder zur Aufführung zu bringen. Kreussers „Der Tod Jesu“ ist der erste „Auftrag.“.

In diesem Projekt gehen Musikwissenschaft und Praxis Hand in Hand. Und doch sind die Sängerinnen und Sänger, die Instrumentalisten und Solisten der Wissenschaft in einer Sache ausnahmsweise einen Schritt voraus. Denn ein Werk wirklich erleben, das geht nur durch seine Musik.

Ich bin sehr gespannt darauf, das Oratorium zu hören, denn ich kenne es nur von den Noten, ich kenne es nur aus zeitgenössischen Berichten. Aber das Werk selber einmal zu hören? Das wird bestimmt ein großes Erlebnis.

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