Film-Tipp

„DORA – Flucht in die Musik“: Spurensuche zu Dora Pejačević

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AUTOR/IN
Desirée Löffler

Die Pianistin Kyra Steckeweh und der Filmemacher Tim van Beveren haben ein ambitioniertes Ziel: Die Musik von Komponistinnen wieder auf die Konzertpodien zu bringen. Unter anderem haben sie vor einigen Jahren einen Dokumentarfilm gemacht, der vier Komponistinnen porträtiert. Der Film hat mehrere Preise abgeräumt, auch einen Opus Klassik. Mitten in der Pandemie haben die beiden nachgelegt und einen zweiten Film gedreht, diesmal über nur eine Komponistin, die hier in Deutschland so gut wie vergessen ist: Dora Pejačević.

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Eine wahre Spurensuche

Manchmal wird das Wort Spurensuche etwas inflationär verwendet. Denn jedes Künstlerportrait geht „auf Spurensuche“, auch wenn nur zusammentragen wird, was in jeder Bibliothek zu finden ist. Auch in „Dora – Flucht in die Musik“, dem neuen Film von Pianistin Kyra Steckeweh und Filmemacher Tim van Beveren, fällt gleich am Anfang das Wort „Spurensuche“. Hier allerdings zurecht!

In Nasice hat Dora Pejačević einen großen Teil ihres Lebens verbracht. Dort ist sie Ende des 19. Jahrhunderts als Tochter einer kroatischen Adelsfamilie in einem Schloss aufgewachsen. Steckeweh und van Beveren folgen der Komponistin auch zu den anderen Stationen ihres Lebens, nach Zagreb und Dresden, wo sie Musikunterricht hatte, nach Budapest, wohin sie im Zuge des Ersten Weltkriegs floh, nach Prag, München und Wien.

Hürden als Komponistin

Dora Pejačević ist ein dankbares Thema für ein Porträt, denn sie hat in einer Zeit gelebt, in der sich durch den ersten Weltkrieg und den Fall der Habsburger vieles verändert hat. Außerdem ist ihr Leben gut dokumentiert: Briefe, Fotos und auch ihre Werke sind erhalten geblieben, viele der Gebäude, in denen sie lebte, stehen noch.

Gleichzeitig gibt es kleine Leerstellen in ihrer Biografie, ungelöste Rätsel und unentdeckte Quellen. Steckweh und van Beveren sprechen mit Experten, Archivaren, Musikern und Hinterbliebenen. Dabei ist immer wieder Thema, dass Dora Pejačević nicht die gleichen Chancen hatte wie ein Mann.

Eine der Leitfragen des Films ist, welche Hürden sie überwinden musste, um Musik zu schreiben und vor allem aufzuführen. Um das zu beantworten, tauchen die Filmemacher tief in Doras Zeit und Lebenswelt ein. Zusammen mit dem Schriftsteller Stefan Zweig, Experte für Geschichte der Habsburgermonarchie, in der Rolle eines Chronisten.

Zwei weitere Protagonisten: Die Filmemacher

Kyra Steckeweh und Tim van Beveren sind häufig im Bild, manchmal inklusive Kamera. Ihre Spurensuche und der Versuch, die Musik von Dora Pejačević wieder auf die Konzertpodien zu bringen, sind neben Biographie und Zeitdokumenten die dritte Ebene des Films.

Als Klammer dient Dora Pejačevićs Musik. Die Filmemacher haben sehr bedacht ausgewählt, welches Stück, welcher Takt zu welcher Begebenheit passt, welchem Foto, welchem Brief. Und auch in der Gegenwart ist die Musik immer wieder wichtiger Teil der Szenen, zum Beispiel beim Besuch in ihrem Mädchenzimmer.

Trailer zu „DORA – Flucht in die Musik“

Handwerklich sehr gut

Handwerklich ist „Dora – Flucht in die Musik“ sehr gut gemacht: Unter anderem fängt Tim van Beveren Atmosphäre und Licht der verschiedenen Stationen wunderschön ein. Nur dramaturgisch hat der Film kleine Schwächen: Steckeweh und van Beveren erzählen, wie sie nach verschiedenen Quellen suchen, teilweise bis zu zwei Jahren lang. Jede einzelne Suche hätte ein schöner Spannungsbogen werden können, aber im Film werden sie alle innerhalb von jeweils ein, zwei Minuten abgehandelt. Eine vertane Chance.

Schade ist das, aber letztlich nicht dramatisch, weil das, was Kyra Steckeweh und Tim van Beveren zu erzählen haben, eben auch viel hergibt: Dora Pejačevićs Leben mitten in, aber als komponierende Frau eben auch jenseits der Gepflogenheiten ihrer Zeit ist spannend, ihr Innenleben facettenreich, und dann ist da natürlich ihre Musik, die wirklich unbedingt gehört werden muss.

Neue Liebe

„Dora – Flucht in die Musik“ ist mehr als eine Spurensuche: Es ist eine leidenschaftliche Liebeserklärung. Und nach den knapp zwei Stunden verliebt man sich gerne in Dora Pejačević und ihre umwerfende Musik.

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Desirée Löffler