Kolumne

Das Konzerthaus-Debakel in München – ein Modell für andere Regionen?

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AUTOR/IN
Axel Brüggemann

Der Traum von einer neuen Philharmonie in München ist zumindest stark ausgebremst worden, als Markus Söder im SZ-Interview eine Denkpause forderte. Pandemie und Krieg – die Landeskassen sind nicht unendlich, so seine Begründung. Was das für weitere Kultur-Großprojekte bedeutet, fragt sich Kolumnist Axel Brüggemann.

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„Denkpause“ – was hat das zu bedeuten?

„Denkpause“ – was für ein Wort! Bei Markus Söder scheint es ein Synonym für: „Schluss, Ende, aus“ zu sein. „Wir können nicht alles unendlich finanzieren“, hat Bayerns Ministerpräsident gesagt und wohl gemeint: Der Traum von einer neuen Philharmonie in München ist ausgeträumt.

Erst Corona, jetzt der Krieg – da seien 400 bis 750 Millionen ein bisschen viel. Und überhaupt: Braucht München denn wirklich ein neues Haus? Man restauriere schließlich den Gasteig, und könne man das Provisorium der „Isarphilharmonie“ nicht einfach länger betreiben?

Gestrichen wird zuerst an der Kultur?

Die Debatte um die Münchner Philharmonie ist mehr als eine bayerische Lokal-Posse. Es geht darum, wie ambitionierte und große Kultur-Planungen dem Rotstift zum Opfer fallen. Und ein bisschen bekommt man Angst: Ist es nach Corona wie es während Corona war — gestrichen wird zuerst an der Kultur?

Der Bund gibt seiner neuen Kulturstaatsministerin Claudia Roth zwar mehr Geld – das ist allerdings Symbolpolitik. Der Bund zahlt schließlich so gut wie keine Theater, Orchester oder Bühnen. Die werden von Ländern, Städten und Kommunen getragen. Und deren Kassen sind derzeit besonders klamm. Viele Kommunen können sich Kultur schon heute schlichtweg nicht mehr leisten.

Auch hier ist München zum Symbol geworden, hat seinen Kulturetat um fast 7 Prozent gekürzt: Oper und Philharmonie sollen bitteschön sparen. Städte und Kommunen in Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt oder Baden-Württemberg werden folgen – das scheint sicher.   

Das Konzerthaus ist das Maut-Debakel der Kultur

Man könnte nun viele Debatten eröffnen: Bei der Philharmonie handelte es sich um eines der ersten, vollkommen digital gedachten Veranstaltungszentren Deutschlands. Ein – zugegeben sehr teures – Pionier-Projekt!

Aber selbst wenn es jetzt nicht gebaut wird, werden allein für Pacht und Konzeption mindestens 50 Millionen fällig – eine ziemlich teure Stille. Das Konzerthaus ist das Maut-Debakel der Kultur!

Das Mammut-Projekt ist nicht makellos

Natürlich könnte man auch mit den Verantwortlichen abrechnen: Anders als bei der Elbphilharmonie ist es in München nämlich nicht gelungen, die Bevölkerung bei der Planung dieses Mammut-Projektes mitzunehmen.

Selbst die aktuellen Statements sind lauwarm: Sänger Christian Gerhaher wäre auch mit einer kleineren Lösung zufrieden und der Chef des BRSO, Simon Rattle, wolle Söders „Denkpause“ nicht aus der Ferne kommentieren. Begeisterung hört sich anders an.

Zwischen Wahlkampf und Zukunft der Kultur-Nation

Markus Söder ist mit Politiker-Instinkt ausgestattet und hat – pünktlich zum anstehenden Wahlkampf in Bayern – gerochen, dass Streichungen in der Kultur besonders auf dem Land besser ankommen als Probleme im Straßenbau oder an den Schulen.

Aber das wirklich Erschreckende ist, dass es niemand zu stören scheint, wenn man in der Kultur mal ganz groß denkt, um dann alles in einem ebenfalls ganz großen Bogen wieder abzuräumen.

Die „Denkpause“ – ein Anlass für die großen Fragen der Kulturpolitik

Die „Denkpause“ bei der Münchner Philharmonie sollte uns alle zum Denken anregen: Sind Kultur-Projekte nur ein Verschiebebahnof der Haushalte? Können und wollen wir  Kultur nur von unseren Steuern nur bezahlen, wenn es uns gut geht? Ist Kultur wirklich Luxusgut?

Wir werden diese Debatten in den kommenden Monaten und Jahren nicht nur in München führen, sondern auch in Stuttgart, Freiburg oder Emmendigen. Und wir lernen von München vor allen Dingen auch dieses: Wenn man die Menschen bei Kulturprojekten nicht mitnimmt, steht am Ende niemand auf, wenn man sie ihnen wegnimmt, bevor sie überhaupt da waren.

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Axel Brüggemann