Open-Air Festival in Sopot

Zwischen Meer, Hügeln und Wald: Das Baltic Opera Festival

Stand
AUTOR/IN
Regine Müller
ONLINEFASSUNG
Sebastian Kiefl

Zum ersten Mal fand Mitte Juli das Baltic Opera Festival statt. Dabei erklang ein deutsch-polnisches Programm mit Wagner und Szymanowski. Lange wurde nur Wagner gespielt, danach verstummte seine Musik, Tomasz Konieczny, künstlerischer Leiter des Festivals, will einen Mittelweg finden.

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Pendeln zwischen Bayreuth und Sopot

Im Graben der Waldoper in Sopot steht Marek Janowski am Pult des Orchesters der Baltischen Oper Danzig. Dabei ist die Akustik der open-Air-Bühne verblüffend, auch Wagners Wucht mischt sich hier zu einem ganz eigenen Klang von großer Weite, es ist in faszinierender Naturklang.

Der künstlerische Leiter des neuen Baltic Opera Festival ist der polnische Bass-Bariton Tomasz Konieczny, der amtierende Bayreuther Wotan, der mit dem Kleinflugzeug eines Freundes gerade immer zwischen Sopot und Bayreuth hin und hergeflogen wird. 2009 entdeckte er als Alberich bei einer konzertanten „Rheingold“-Aufführung die szenisch brach liegende Waldbühne für sich. 

Mit der Geige im Wald

Die Waldoper hat eine bewegte Geschichte. Sie ist 1909 entstanden, weil die wohlhabenden Gäste des aufstrebenden Seebads nahe Danzig nach besonderer Unterhaltung verlangten.

„Der Gründer des Festivals war der Herr Schäffer, er war damals der erste Geiger im Danziger Orchester. Er ist gerne gewandert in den Sopoter Wäldern, diese Umgebung ist fantastisch, obwohl wir am Meer sind, gibt’s Hügel und gibt’s Wälder. Und er ist einfach mit der Geige gewandert und hat diesen Ort als besonders akustisch geeignet gefunden.“

Tomasz Konieczny, Künstlerischer Leiter Baltic Opera Festival 2023  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)
Tomasz Konieczny ist ein polnischer Bariton und Künstlerischer Leiter Baltic Opera Festival 2023.

„Bayreuth des Nordens“ im Nationalsozialismus

Zur Eröffnung der Waldoper gab man Conradin Kreutzers „Das Nachtlager von Granada“, seit den 1920er Jahren wurde in der Waldoper auch Wagner gespielt. Damals gab es etwa 4.000 Sitz- und 4.000 Stehplätze.

Sitze und Segel der Wald-Oper in Sopot, Polen (Foto: IMAGO, SWR, IMAGO / Pond5)
Ursprünglich fasste die Wald-Oper 4.000 Sitz- und zusätzliche 4.000 Stehplätze. Die aktuelle Konstruktion stammt von 2012 und bietet Platz für 4.400 Zuschauer.

In den 1930er Jahren kam die Zeit, als die Nationalsozialisten den auratischen Spielort für ihre Zwecke entdeckten, ihn zur „Reichswichtigen Festspielstätte“ erklärten und das programmatisch offene Opern-Festival zu den „Richard Wagner-Festpielen“ umfunktionierten.

„Und tatsächlich, in [den] Dreißigern, wo man hier ausschließlich Wagner gespielt hat, ist es ,Bayreuth des Nordens‘ genannt worden. Der Knappertsbusch hat hier dirigiert und andere große Wagner-Dirigenten und große Wagner-Sänger haben hier gesungen.“

Wagner-Pause 2024

Die Aufarbeitung von Wagners Verstrickung in den Nationalsozialismus und seine Instrumentalisierung durch die Nazis sind nach wie vor nicht abgeschlossen, auch in Bayreuth ringt man noch heute darum. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Wagner in der Waldoper natürlich nicht mehr tragbar. Danach habe man ein Popmusik-Festival organisiert, dass auch sehr berühmt gewesen sei, erklärt Konieczny.

Im Publikum spürt man heute keinerlei Reserviertheit gegenüber Wagner. Tomas Konieczny hat aber auch nicht vor, künftig in der Waldoper nur Wagner zu spielen. Nächstes Jahr soll es eine Puccini-Oper geben und eine polnische Rarität. Im übernächsten Jahr aber plant Konieczny Wagners „Walküre“. 

Eindrücke von Wagners Fliegenden Holländer in der Waldoper beim Baltic Opera Festival (Foto: Pressestelle, Baltic Opera Festival / Krzysztof Mystkowski KFP)
Richard Wagners „Der Fliegende Holländer“ war der Höhepunkt des Baltic Opera Festivals in Sopot.

Einfaches Bild ohne Regie-Experimente mit prominenter Besetzung

Die heutige Konstruktion der Waldoper ist elf Jahre alt. Das weiße, segelartige Dach ist wasserdicht und dient auch als Projektionsfläche. Das Regie-Team setzt in der Weite des Raums auf einfache Bilder, die stets den Blick freilassen auf den allgegenwärtigen, kunstvoll illuminierten Wald.

Eindrücke von Wagners Fliegenden Holländer in der Waldoper beim Baltic Opera Festival (Foto: Pressestelle, Baltic Opera Festival / Krzysztof Mystkowski KFP)
Ein Meer aus Grün: Echten Wald sieht man normalerweise nicht in Opernproduktionen.

In Sopot wagt man keine Regie-Experimente oder gar Aktualisierungen. Sonst hätte man wohl auch kaum Marek Janowski für die musikalische Leitung gewinnen könnten, der als erklärter Gegner von ambitionierten Regie-Konzepten gilt. 

Tomasz Konieczny konnte eine prominente Besetzung zusammenstellen, Franz Hawlata singt den Daland, Ricarda Merbeth die Senta, Thomas Vinke ist Eric und Koniecznys Fachkollege Andrzej Dobber singt den Holländer. 

Neubelebung der Waldoper

Der Ort ist faszinierend und er entfaltet seine eindrückliche Wirkung vor allem mit der Kunstform Oper. Tomasz Konieczny ist unverdächtig, aus dem Baltic Opera Festival eine Kultstätte für ewig gestrige Alt-Wagnerianer zu machen. Eher eine fruchtbare Neubelebung eines einzigartigen Ortes. Mit oder ohne Wagner.

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