Eine Hommage zum 100. Geburtstag von Birgit Nilsson

An Homage

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AUTOR/IN
Kirsten Liese

Buch-Tipp vom 17.05.2018

Packende Momentaufnahmen

Eine Schönheit war Birgit Nilsson nicht. Auf den meisten Rollenbildern tritt sie einem als eine kräftige Primadonna mit üppigem Dekolleté, kantigen Zügen, schmalen Augen und altmodischen Frisuren entgegen. Aber beim Blättern zwischen Hunderten von Fotos lässt sich schnell erkennen, dass es darauf nicht ankommt. Frappierend ist die sich in der ausgeprägten Mimik und Körpersprache darstellende starke Persönlichkeit der schwedischen Sopranistin. Unter hunderten Bildern sind Zeugnisse großartiger Theaterfotografie darunter, viele in Schwarzweiß, bestimmt von kunstvollen Kontrasten zwischen Licht und Schatten, zum Beispiel aus Richard Strauss’ Musikdrama „Elektra“. Unheilvoll verdichtet sich da das Geschehen ganzer Szenen in einzelnen packenden Momentaufnahmen. Essays im Textteil des Buches gehen auf diese Faszination ergänzend noch detaillierter ein. Speight Jenkins, der ehemalige Musikkritiker und Intendant der Seattle Opera, ist einer der Autoren.

In den meisten Beiträgen widmen sich die Autoren der phänomenalen Stimme von Birgit Nilsson. Diese war groß und monumental wie die ihrer Weggefährtinnen Astrid Varnay und Martha Mödl. Doch im Unterschied zu Mödl und Varnay, die heroische Spitzentöne dem Mezzocharakter ihrer dunklen Stimmen abtrotzten, konnte sich Birgit Nilsson stets auf ihre hohe Lage verlassen. Aber das ist für Peter Blaha, den Chefdramaturgen der Wiener Philharmoniker, nur ein Aspekt:

Zudem sei nichts falscher als der Eindruck, Birgit Nilsson habe im Zuge ihres großen Volumens nur mit Lautstärke gepunktet, merkt der Musikpublizist Jens Malte Fischer an:

Wie eine Urgewalt kam Birgit Nilssons hochdramatischer Sopran über den Opernbetrieb der Nachkriegsära, von 1954 bis 1970 prägte sie die Bayreuther Festspiele entscheidend mit. Ansonsten zog es sie vorzugsweise an die New Yorker Met, nach Covent Garden, an die Mailänder Scala und an die Wiener Staatsoper. Und noch in einem Alter, in dem andere Sängerinnen längst den Rückzug in die Charakterrollen antreten mussten oder gar nicht mehr singen konnten, verkörperte Nilsson immer noch die großen Figuren ihres Fachs, Isolde, Brünnhilde, Salome, Elektra, die Färbersfrau in „Frau ohne Schatten“ und Turandot. - Einige darunter an die 200, 300 Mal.

Hommage an eine goldene Ära

Die in einem Leinenschuber präsentierte, imposante Edition „Birgit Nilsson 100. An Homage“ ist eine höchst anspruchsvolle Publikation und auf dem Gebiet der Theaterfotografie nahezu einmalig. Dies auch dank der hervorragenden Qualität der Reproduktionen. So hochwertig hat man Fotos von Birgit Nilsson noch nicht gesehen. Über das persönliche Wirken der großen Schwedin lassen diese Bilder zugleich Theatergeschichte wieder aufleben. Und so wird die Edition unwillkürlich auch zu einer Hommage an eine goldene Ära, in der Größen wie Wieland Wagner, Herbert von Karajan oder Otto Schenk ästhetisch ansprechende, packende Inszenierungen schufen, an die man mit einiger Wehmut zurückdenkt. Als der noch letzte lebende Zeitzeuge dieser Garde steuert Regielegende Otto Schenk Reminiszenzen an eine gemeinsame Tosca bei: 

CD-Tipp vom 17.05.2018 aus der Sendung SWR2 Cluster

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Kirsten Liese