Stéphanie Kalfon schreibt kein hübsch ausgeschmücktes Künstlerepos, sondern skizziert den Menschen Satie mit seinem zerbrechlichen und gebrochenen Charakter. Trauer und Melancholie schlängeln sich wie unaufhaltsame Regentropfen durch Saties Leben. Und daher kommt auch der Titel des Buches: „Die Regenschirme des Erik Satie“. Sie sind ein Symbol für die Regenseite seines Lebens, aber auch für einen gleichbleibenden, trommelnden Rhythmus.
Ein Buch mit vielen Original-Zitaten
Stephanie Kalfon verwendet ein Stilmittel, das dem Leser die Interpretation Saties Charakter selbst überlässt: Originale Zitate aus Briefen, Tagebucheinträgen und Artikeln werden mit der Stimme der Autorin verwoben, die ihren Schreibstil deutlich den oft verwirrten Aussagen des Komponisten anpasst. Das kann über die Länge eines ganzen Buches schon mal etwas anstrengend werden, trifft aber die Zerrissenheit und den durch hohen Absinth-Genuss vernebelten Zeitgeist ziemlich gut.
Ein selbstverschuldetes Schicksal
Erfrischend nüchtern wirken im Gegensatz zu den nebulösen Gedankenschwallen dann die Erzählungen der biographischen Lebensereignisse. Oft sind es einfach nur Szenen, die schlaglichtartig aneinander gereiht von Saties selbstverschuldetem Schicksal und unglücklichen Zufällen erzählen. Ein andauerndes Hauptthema in seinem Leben ist neben tragischen Todesfällen beispielsweise die Freundschaft zum Kollegen Claude Debussy, nach dessen Anerkennung Satie lebenslang gierte.
Mischung aus Biographie und Seelenanalyse
Ein leichter Künstlerroman ist „Die Regenschirme des Erik Satie“ eindeutig nicht. Und das ist auch gut so, denn leicht und luftig war Saties Leben, vor allem aber sein Gemüt, nun wirklich nicht. Stéphanie Kalfon schafft hier eine Mischung aus Biographie und Seelenanalyse, die erstaunlich wenig auf das eingeht, was man von Satie eigentlich kennt: seine Musik. Aber das ist überhaupt nicht schlimm. Denn es wird darüber hinaus das Bild eines sterbenden Jahrhunderts gezeichnet, in dem einem großen Künstler die Chance auf musikalische Neuerung verwehrt wurde. In jedem Fall hört man nach diesem Roman die Musik von Erik Satie mit anderen Ohren. Ob mit schwermütigen oder euphorischen, das ist jedem selbst überlassen.
Buch-Tipp vom 12.9.2018 aus der Sendung SWR2 Treffpunkt Klassik