Der Bariton Benjamin Appl begibt sich mit seinem jüngsten Album „Forbidden Fruit“ auf einen klangschönen, verführerischen Lied-Parcours in den Garten Eden. Die Wege führen ihn vom puristischen Renaissance-Song über Schubert und Wolf bis hin zu Schönberg und Poulenc.
Verführung im Garten Eden
Der wohltönend sprechende wie singende Bariton des Albums heißt – keine Namenswitze, bitte – Benjamin Appl. Er begibt sich dabei auf einen ausgesprochen klangschönen und verführerischen Liedparcours in den Garten Eden, das Paradies.
Dahin, wo alles geht, nichts muss, für Adam und Eva, die sich in sinnlichen Freuden ergehen. Nur der Apfel sollte tabu bleiben. Es kam schlangenanders und natürlich war Eva schuld. Benjamin Appl sagt das nicht, er singt nur davon.

Himmlische Freuden und Gestöhne inklusive Klavierbegleitung
Doch erst einmal, nachdem sein kongenialer, schmiegsamer Klavierpartner James Ballieu die himmlischen Freuden des Fauréschen „In paradisum“ instrumental perlend beschwören durfte, wird geliebt, geseufzt, gestöhnt, und auch – deutlich entjungfert.
Mit Ivor Gurney und Hugo Wolf, der freilich Jupiter seinen Mundschenk Ganymed anschmachten lässt, während Kurt Weill auf Französisch noch unschuldig die Sehnsuchtsaura der Feeninsel Youkali evoziert.
Gespräch mit Benjamin Appl über sein Album „Forbidden Fruit“ und sein Auftritt bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen
Bibelzitate und 26 Lieder
Mit Debussys „La Chevelure“ wird das Haar zum Ersatzsymbol, für das, was die Bibel mit „Und sie wurden ein Fleisch“ umschreibt. Benjamin Appl aber nimmt kein Blatt vor den trefflichen Sängermund. Er nennt sein jüngstes Album, sein zweites bei Alpha, das ihn locker und wie befreit klingen lässt, genießerisch „Forbidden Fruit“.
Bei diesem Gang durch 26 Lieder des 19. bis 21. Jahrhundert, ein wiederholtes Klavierstück und entsprechende Bibelzitate geht es nicht nur um die ach so süßen Früchte in Nachbars Garten.
Trailer zu „Forbidden Fruit“ von Benjamin Appl & James Baillieu auf YouTube
Umzug in die heutige Welt nach dem Sündenfall
Appl reflektiert gewitzt und klug zusammencollagiert über die totale Liberalität unsere Welt, die uns auch nicht glücklich macht, und spiegelt sie wieder in dieser bunt zusammengewürfelten Liedermélange zwischen Versuchung, Sündenfall und leider letzter Umzugs-Konsequenz.
Auf dem Weg vom Elysium über Apfelbiss und Auszug aus dem Paradies kommen dazu mit überraschenden Bedeutungsfacetten Reynaldo Hahn, Richard Strauss, Francis Poulenc, Edward Grieg, Fanny Hensel und Jake Heggie in unterschiedlichen Liedkommentaren zum Tönen.
Hunger auf das Verbotene
Der versatile, vokalflirtende, dann wieder seriös Liedkunst-beschwörende Benjamin Appl wird unerhört brutal deutlich, wenn er mit Franz Schubert wie Goethe die gar nicht unschuldige Vergewaltigungsfantasie vom „Heideröslein“ bruchlos in das sehr offenbar schwangere „Gretchen am Spinnrade“ übergehen lässt, dessen Ruhe ziemlich hin ist.
Appl schwingt dann mit beißender Ironie die Moralkeule des tragischen „Wilhelm Meister“-Haffners in Schumanns „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“. Am Ende dieser wirklich appetitlichen 70 CD-Minuten aber lässt er es metaphysisch ausklingen.
Die Menschheit wurde aus dem Paradies geworfen, sie hat aber noch Nietzsche und die weiträumig tröstliche Mahler-Vertonung von dessen „Urlicht“. Da möchte man gleich nochmals von der verbotenen Frucht naschen.