Album-Tipp

Klingende Geschichte einer Freundschaft: Zilliacus-Quartett spielen Maier, Röntgen und Grieg

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AUTOR/IN
Hannah Schmidt
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Dominic Konrad

Das neu gegründete Zilliacus-Quartett aus Stockholm stellt auf seiner Debüt-CD Werke dreier eng befreundeter Musikschaffender nebeneinander: Amanda Maier, Julius Röntgen und Edvard Grieg. Das Album ist sozusagen die klingende Geschichte einer Freundschaft.

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Ein unvollendetes Streichquartett aus dem Nachlass Edvard Griegs

„Es ist ein seltsames Gefühl, dass Edvard diese Musik selbst nie gehört hat“, schreibt der Komponist Julius Röntgen an Griegs Witwe, Nina Grieg.

Es ist das Jahr 1907, Edvard Grieg war kurz zuvor verstorben, und die beiden durchsuchten seinen Nachlass nach unveröffentlichten Werken. Dabei fand Julius das unvollendete 2. Streichquartett in F-Dur.

Edvard Grieg (Foto: IMAGO, TT)
Prominenter Vertreter der skandinavischen Musik um die Jahrhundertwende: Edvard Grieg.

„Die leichte und frohe Schwester“ von Griegs erstem Streichquartett

Der heitere Charakter fällt direkt im ersten Satz auf, schon das Allegro klingt ganz anders als Griegs dramatisches 1. Streichquartett in g-Moll: Die Musik hier wiegt seicht und etwas unregelmäßig, wie ein kleines Boot auf dem Wasser.

„Die leichte und frohe Schwester“ des g-Moll-Streichquartetts sollte dieses Werk werden, das schrieb Grieg selbst über die Musik – und das ist ihm gelungen.

Griegs Freund Julius Röntgen vervollständigte die letzten beiden Sätze. Der Komponist hatte nur Skizzen hinterlassen. Nina Grieg war begeistert und schrieb ihm:

„Es steckt so viel Edvard in dieser Musik, seine Wege und sein Geist – und gleichzeitig klingt es auch nach Röntgen.“

Grieg auf dieser Einspielung mit engen Freunden vereint

Das neu gegründete schwedische Zilliacus-Quartett stellt Griegs F-Dur-Streichquartett neben zwei Werke von engen Freunden des Komponisten: Amanda Maier und ihrem Mann Julius Röntgen. Zeitweise lebten die drei Künstlerinnen und Künstler in einem Haus in Holland, sie hatten engen Kontakt und inspirierten sich gegenseitig.

In ihrer Interpretation betonen die vier Musikerinnen aus Stockholm diese musikalische Verwandtschaft. Wie also Julius Röntgen in Griegs 2. Streichquartett mitklingt, so klingt auch Amanda Maier in Röntgens 12. Streichquartett – und Griegs Einfluss in Amanda Maiers Streichquartett in A-Dur

Nur wenig überliefert: das Werk von Amanda Maier

Die Harmonien und die Chromatik bei Amanda Maier erinnern hier stark an den späten Grieg. Er liebte es, regelrecht auf den Grenzen des harmonischen Systems zu balancieren und dabei gleichzeitig wunderschöne Melodien zu erschaffen.

Amanda Maier wurde nur 39 Jahre alt. Von ihrem kompositorischen Werk ist nicht viel erhalten. Dieses Streichquartett ist eine echte Entdeckung, besonders die beiden mittleren Sätze, die Amanda Maier vollständig hinterlassen hat.

Amanda Maier-Röntgen (Foto: IMAGO, Heritage Images)
Das Werk der schwedischen Violinistin und Komponistin Amanda Maier-Röntgen ist nur fragmentar überliefert. Sie war die erste weibliche Absolventin der Königlichen Musikhochschule in Stockholm. Am 15. Juni 1894 starb sie mit nur 39 Jahren in Amsterdam.

Julius Röntgens 12. Streichquartett zeugt von seiner späten Produktivität

Das einzige Werk auf der Einspielung, das nicht von einer anderen Person komplettiert wurde, ist Julius Röntgens 12. Streichquartett. Er war derjenige, der nach Amandas und Edvards Tod übrig blieb.

Als umtriebiger Musiker und Komponist in den Niederlanden hatte Röntgen in den Jahren zuvor unter anderem das Konservatorium und das Concertgebouw in Amsterdam mitgegründet.

Nach seinem Renteneintritt im Jahr 1924 wurde er enorm produktiv: In nur sechs Jahren schrieb unter anderem sechs Streichtrios, acht Streichquartette und neunzehn Sinfonien. Dabei verarbeitete er auch immer wieder bekannte Melodien.

Das Zilliacus-Quartett erweitert das Streichquartett-Repertoire

Die Musikerinnen des Zilliacus-Quartetts zeigen auf diesem Album nicht nur, wie stilistisch virtuos interpretierte Kammermusik gewissermaßen ihre eigene Entstehungsgeschichte erzählen kann, sondern erweitern das Repertoire auch noch um gleich drei unterrepräsentierte, extrem hörenswerte Werke.

Das ist nicht nur spannend anzuhören, sondern aktiviert auch noch den eigenen Forschungsdrang.

 

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